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Taschenbuch:   ISBN: 9783756550425
eBook(ePub):   ISBN:
9783756550432
Seiten: 191

 

Inhaltsangabe:

Der Privatdetektiv J.W. Göthe, Spitzname Wolfi, ermittelt in einem von drei Vermisstenfällen. Währenddessen ist die Detektei schon mit zwei weiteren Vermisstenfällen beauftragt. Diese werden von zwei Mitarbeitern der Detektei betreut. Alle Vermisstenfälle haben eines gemeinsam. Als der vierte Vermisstenfall hinzukommt und diese Gemeinsamkeit aufweist, liegt die Annahme nahe, die vier unterschiedlichen Vermissten aus unterschiedlichen Stadtteilen haben ein gemeinsames Schicksal.

 

Leseprobe:

Um den besagten Fall zu schildern muss ich damit anfangen, wie schon in der Einleitung beschrieben, dass es sich um einen Auftrag handelt, der von keinem herkömmlichen Auftraggeber kam. Wie der Buchtitel es möglichweise erahnen lässt, handelte es sich dabei um mehrere Fälle, die aber eine Gemeinsamkeit hatten.

Den Anfang würden Gabi und ich daher wie folgt sehen. Legen wir los.

 

26. Februar 1990, Montag, 11.00 Uhr
Essen Stadtwald

Ich saß an meinem Schreibtisch und studierte die letzten abgeschlossenen Ermittlungen unserer Mitarbeiter.
Ja, Sie haben richtig gelesen…
wir haben inzwischen mehrere Mitarbeiter.
Unfassbar, nicht wahr? Damit hätte ich nie gerechnet.
Neben
Ralf Binnek und Marc Breuer, die fast ausschließlich nur für die Firma ‚Lehmann-Bau‘ tätig sind, unsere ersten Mitarbeiter überhaupt, gibt es noch drei weitere. Das sind Thomas Dittmar, Marvin Bender und Anke Schulz. Alle drei haben in den letzten zehn Monaten bei uns angefangen. Anke kam zum Schluss. Seit den Zeitungs- und Fernseh-Berichten über unsere Nachbarin und Freundin Käthe stand das Telefon kaum mehr still. Natürlich waren es nicht alles nur Aufträge, aber der überwiegende Teil schon. Mit der Zeit sahen Gabi und ich uns gezwungen, neben Ralf und Marc, noch wenigsten einen weiteren Mitstreiter einzustellen. Es bewarben sich mehrere und wir konnten uns zwischen Thomas Dittmar und Marvin Bender nicht entscheiden. Ich fand beide gut und so stellten wir beide mit einem Zeitvertrag ein. Das war Anfang Mai 1989. Nur wenige Monate später schafften wir unsere Ermittlungsaufträge nicht mehr. So kam Nummer fünf zu uns, Anke Schulz. Wir, die Detektive sind also zu sechst, wobei wie schon gesagt, Ralf und Marc fast ausschließlich nur für ‚Lehmann-Bau‘ tätig sind. In einigen Fällen hat Gabi aber mitgeholfen und an meiner Seite mit ermittelt.
Kommen wir mal zu unserer Freundin, Käthe Fendler. Wie Sie im Buch ‚Privatdetektiv J.W. Göthe und die verschwundene Nachbarin‘ erfahren konnten, lebte Käthe einige Zeit in meiner Detektei-Wohnung. Was ja mit ihrer Tochter und dem Schweigersohn zu tun hatte.
Wenn Sie es gelesen haben, dann wissen Sie wovon ich spreche. Wenn nicht… dann will ich jetzt nicht zu viel verraten. Lesen Sie es, es ist der Hammer! So etwas kann man sich nicht ausdenken, so etwas lässt sich nur das Leben einfallen.
Also, Käthe lebte ganze vier Monate bei uns. Bis sie bemerkte, dass zwei der drei Räume für die Detektei benötigt wurden. Dies bemerkte sie von sich aus. Wir haben sie nicht darauf angesprochen, noch ihr das Gefühl vermittelt sie würde nun stören, ganz im Gegenteil. Gabi und ich fanden es sehr traurig, dass die Entwicklung so verlaufen war. Es wurde notwendig zwei der drei Räume meiner ehemaligen Detektei-Wohnung der Detektei zukommen lassen zu müssen. Der Hauptgrund für diesen Umstand ist aber ganz klar unsere Käthe selbst. Sie sitzt, seit sie zu uns gezogen war, noch immer jeden Tag in der Woche, von Montag bis Freitag, am Empfang. Telefoniert, schreibt auf, gibt erste Ratschläge und baut so manche Dame oder Herrn wieder auf, wenn sie oder er seelische Unterstützung bedürfen. Beruhigt den einen und anderen der aufgebracht ist und spricht ihr oder ihm gut zu.
Kurz gesagt, sie ist die gute Seele in der Detektei.
Sie wohnt also wieder bei sich im Haus nebenan. Das erwähnte Schwimmbad wurde zum besagten Zeitpunkt, Januar 1990, wieder zu dem gemacht, wofür es ursprünglich gedacht gewesen war. Nämlich ein Schwimmbad und kein… äh, das wissen Sie ja bereits oder lesen es noch.
Ich erinnere mich noch daran, da Käthe uns beide, Gabi und mich, am Sonntag davor noch auf Kaffee und Käsekuchen eingeladen hatte. Ihr Käsekuchen ist ein Gedicht, müssen Sie wissen und durch keinen anderen zu ersetzen. In dem Zuge zeigte sie uns auch den Fortschritt des Schwimmbades. Sie freute sich unglaublich darauf, dass wir alle von der Detektei bald zum Schwimmen zu ihr kommen würden.
Der bei uns übliche Tagesablauf, seitdem Käthe wieder zu sich gezogen war, war folgender. Sie kam in der Woche zum Frühstücken zu uns und wir gingen am Wochenende zu ihr. Eigentlich war sie für uns beide wie eine Mutter, die ihre Kinder bei deren Selbstständigkeit unterstützte. Immer für uns und andere da. Nie ein böses Wort. Immer ein Lächeln auf den Lippen und was noch viel wichtiger war, sie war glücklich. Das sahen nicht nur alle, dies sagte sie auch jedem, der es hören wollte. Sie hatte ihre neue Familie gefunden. Alle liebten unsere Käthe.

Wie schon gesagt, ich saß an meinem Schreibtisch und studierte die letzten abgeschlossenen Ermittlungen unserer Mitarbeiter. Gabi saß in ihrem Büro, was sich direkt hinter meinem befindet. Ihre Hauptaufgabe ist die Finanzen im Auge zu behalten. Sie schreibt die Rechnungen, hält nach ob auch bezahlt wird und sorgt dafür, dass alles was benötigt wird, auch vorhanden ist. Käthe saß wie immer an der Theke und las die Tageszeitung. Dies tat sie noch immer freiwillig, ich meine an der Theke zu sitzen und das nur, um uns zu helfen. Zwischendurch schellte das Telefon und sie machte das, was sie am besten konnte. Sie hörte zu, was die Anruferinnen und Anrufer für Sorgen und Ängste hatten, meistens beriet sie die Anrufer im Anschluss mit ihrer langen Lebenserfahrung. So war es auch an dem besagten Montag der Fall. Eigentlich ein Tag wie viele andere auch. Dieser 26. Februar war ein typischer Februartag. Es war den ganzen Tag stark bewölkt und es regnete mit leichtem Schneefall bei maximal 7° Grad. Es war richtig ‚usselig‘ draußen. Wie sagt man so schön, man hätte keinen Hund vor die Tür gejagt.
Käthes Gespräch hatte länger gedauert, das weiß ich noch. Im Anschluss kam sie zu mir, um mir folgendes mitzuteilen.

„Wolfi, ich hatte da gerade eine Frau am Apparat. Sie vermisst ihren erwachsenen Sohn. Sie sagt, von ihrer
Schwiegertochter bekommt sie keine Antwort. Der Arbeitgeber vermisst ihn auch. Die Polizei hat eine Vermisstenanzeige aufgenommen. Sie will nicht länger warten und braucht unsere Hilfe“, sagte Käthe, stand neben mir am Schreibtisch und streichelte mir über meinen Kopf.
Dieses Verhalten von ihr kannte ich nur zu gut. Das Streicheln machte sie immer dann, wenn ihr das Anliegen einer Person besonders nahe gegangen war und sie mir zeigen wollte, bitte lass uns den Fall übernehmen. Ich schaute zu ihr hoch und fragte sie.

„Du legt also großen Wert darauf, dass wir den Fall übernehmen?“

„Woran hast du das denn bemerkt?“, fragte sie mit einem Lächeln im Gesicht zurück.

„Bestimmt hast du schon gesagt, du sprichst mit mir und wir werden das übernehmen, nicht wahr?“

„Ja, stimmt genau.“

„Dann gib mir mal deinen Zettel, den du hinter deinem Rücken versteckst“, bat ich sie.
Sie gab ihn mir und ich schaute darauf. Die Dame hieß Helga Westerkamp und wohnte in Essen Frohnhausen in der Pützstraße. Die Telefonnummer stand natürlich auch dabei.

„Okay, ich rufe die Dame an“, sagte ich und Käthe erwiderte.

„Das wusste ich doch, mein Wolfi.“
Dabei streichelte sie mir wieder über meinen Kopf. Ich wählte die Rufnummer, es schellte.

„Westerkamp“, sagte eine Frauenstimme.

„Göthe, guten Tag Frau Westerkamp. Sie haben angerufen, weil Sie unsere Hilfe brauchen.“

„Guten Tag, Herr Göthe. Ja, stimmt, ich habe schon mit Ihrer Mutter gesprochen.“

„Mit meiner Mutter haben Sie gesprochen?“, fragte ich erstaunt nach und sah dabei zu Käthe.
Sie stand lächelnd neben mir und meinte im Flüsterton.

‚Du bist für mich wie mein Sohn, den ich nie hatte.‘
Dann ging sie zur Theke zurück.

„Hat Ihre Mutter Ihnen schon alles erzählt?“, hörte ich Frau Westerkamp fragen.

„Nur Ansatzweise. Das Beste wird sein, wir sehen uns. Können Sie zu uns kommen?“

„Es wäre mir lieber, Sie kämen zu mir.“

„Über den Stundensatz sind Sie bereits informiert?“, fragte ich nach und bekam die Antwort.

„Ja, 30 DM zuzüglich Nebenkosten.“
Ich weiß es noch wie heute, ich war etwas geschockt. Meine für mich neue
‚Mutter‘ legte inzwischen schon die Stundensätze fest.

„Na, dann ist das ja schon geklärt. Wann ist es Ihnen Recht, dass ich zu Ihnen komme?“

„Bitte sofort!“, bekam ich zu hören.
Wir beendeten das Telefonat und ich ging zu Käthe, wo in dem Augenblick auch Gabi stand.

„Sag mal ‚Mutti‘, seit wann machst du denn jetzt hier die Stundensätze?“, fragte ich sie.

„Das war doch klar, dass wir bei der Frau den kleinsten Stundensatz nehmen. Sie vermisst doch ihren Sohn“, antwortete Käthe.

„Du weißt aber schon, die Stundensätze legt Wolfi fest“, sagte Gabi ihr.

„Ja, natürlich, aber in dem Fall…!“, erwiderte sie und meinte weiter. „Ich habe mir das aufgeschrieben. Die Stundensätze liegen zwischen 30 und 100 DM plus Nebenkosten. Meistens nehmen wir aber 65 DM plus Nebenkosten.“

„Ja, aber pro Ermittler“, fügte ich noch an.

„Mann, das ist aber ganz schön viel Geld“, meinte Käthe.

„Wir haben ja auch Kosten und wollen die Mitarbeiter bezahlen können“, sagte Gabi ihr.

„Ja, ist ja schon gut“, sagte Käthe. „Beim nächsten Mal nehme ich mehr.“

„Och, wie lieb von dir“, sagte ich zu ihr und streichelte sie über ihren Kopf.

„Pass bitte auf, meine Frisur“, bekam ich zu hören.
Ich lächelte sie an und ging in mein Büro, um meine Umhängetasche zu holen. Diese Umhängetasche habe ich meiner Gabi zu verdanken. Es war ihre Idee. Ihr Inhalt ist für mich zur Grundausstattung geworden. Es befinden sich darin die
Ermittlungsverträge, ein Block mit Stift, eine Liste mit wichtigen Rufnummern, ein Diktiergerät, meine Digitalkamera Fujix DS-1P mit sechs Speicherkarten von Gabi und das Walkie-Talkie CB-Funkgerät, denn Handy`s gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht, zumindest nicht bezahlbare für Normalsterbliche.
Wieder am Empfang zurück gab ich meiner Gabi noch einen Kuss und sagte ‚Bis später‘. An der Haustür angekommen hörte ich von der Theke aus noch Käthe sagen.
‚Er ist ja schon ein ganz Lieber.‘

 

Montag, 12.00 Uhr
Essen Frohnhausen

Ich war mit Regen bei Helga Westerkamp angekommen und saß bei ihr in der Küche. Sie hatte vorab schon mal Kaffee gekocht und ich nahm eine Tasse, um die Dame nicht zu enttäuschen. Ich weiß noch, der Kaffee war warm, mehr aber auch nicht. Das war das einzig Gute an ihm. Ohne Milch konnte ich den hellen Boden der Tasse sehen. Sie gab mir ein Foto von ihrem Sohn Uwe. Er war 33 Jahre alt und Vater von zwei Mädchen, 5 und 8 Jahre alt. Seine Frau hieß Cornelia und war 32 Jahre alt. Die Familie wohnte in Gelsenkirchen, im Stadtteil Ückendorf. Uwe war von Beruf Schlosser und von Essen nach Gelsenkirchen gezogen, weil er dort arbeitete.

„Seit wann wird ihr Sohn vermisst?“, fragte ich.

„Seit Freitagabend. Er war laufen im nahegelegenen Stadtpark. Das macht er dreimal die Woche.“

„Was sagt denn seine Frau dazu?“

„Die Conni sagt, er wäre abgehauen, weil sie sich mal wieder gestritten haben. Sie meint, Uwe wolle sie damit bestrafen. So ein Quatsch. Er hat doch seine Arbeit und ist immer brav dorthin gegangen.“

„Sie glauben also nicht an die Theorie Ihrer Schwiegertochter?“

„Aber auf gar keinen Fall. Das ist Blödsinn, so etwas macht mein Uwe nicht“, war Frau Westerkamp überzeugt.

„Heißt das dann, Ihre Schwiegertochter macht sich gar keine Gedanken um ihren Mann. Ist ihr das Verschwinden egal?“

„Ja, den Eindruck habe ich. Sie hat einen Dummen gesucht, der ihr das Leben finanziert und den hat sie gefunden. Lässt er sich scheiden, muss er für alle drei aufkommen.“

„Das würde aber für Ihre Schwiegertochter doch dann auch finanzielle Einbußen bedeuten“, glaubte ich zu wissen.

„Das weiß Conni nicht, so schlau ist sie nicht und wenn sie es bemerkt, dann sucht sie sich halt einen anderen Dummen“, war Frau Westerkamp der Ansicht.

„Ihr Sohn ist also am Freitag laufen gegangen, was er dreimal die Woche macht und nicht mehr zu sich nach Hause gekommen“, resümierte ich etwas nachdenklich.

„Ja, ganz genau.“

„Wo war seine Frau zu dem Zeitpunkt, Zuhause?“

„Sie hat gesagt, sie war bei einer Freundin.“

„Wann haben Sie von dem Verschwinden erfahren?“

„Am Sonntagvormittag. Es war so um 11 Uhr rum.“

„Da hat Cornelia, seine Frau, Sie angerufen?“

„Nein, ich habe bei denen angerufen. Ich wollte Uwe sprechen, da hat sie es mir gesagt. Unfassbar fand ich das, da ist er seit Freitag nicht mehr da und die hält es noch nicht einmal für nötig mich, seine Mutter, davon in Kenntnis zu setzen.“

„Sie und nicht Cornelia haben ihn vermisst gemeldet?“, fragte ich noch einmal nach.

„Ja, am Spätmittag, am Sonntag. Ich habe den Notruf der Polizei angerufen und die sind mit einem Polizeiwagen hierher zu mir gekommen. Die zwei Beamten haben eine Vermisstenanzeige aufgenommen und sich mehr Sorgen um meinen Sohn gemacht als Conni. Können Sie das Verhalten von ihr verstehen?“

„Im Augenblick nicht, aber erfahrungsgemäß gibt es für alles einen guten Grund, den muss man nur herausfinden und dann versteht man auch das Verhalten.“

„Dann bin ich gespannt, was sie herausfinden werden.“

„Glauben Sie es mir, auch ich bin gespannt. Was haben die zwei Polizisten denn zu Ihnen gesagt, wie es nun weitergehen würde?“

„Die zwei Herren wollten zu sich auf die Wache fahren und dann ihre Kollegen in Gelsenkirchen verständigen. Sie sagten, die würden dann noch am Sonntag zu dem Haus von Uwe fahren und seine Frau befragen. Dann würde man weitersehen.“

„Sind Sie informiert worden, ob die Polizei bei Ihrer Schwiegertochter etwas erreicht hat?“

„Nein, ich habe Spätnachmittag bei der Polizei in Gelsenkirchen angerufen, nach mehrfachem Weiterverbinden hat man mir dann gesagt, sie hätten niemanden erreicht. Sie würden es später erneut versuchen. Das war es für den Tag.“

„Okay und weiter?“

„Es hat mir keine Ruhe gelassen und ich habe gestern Abend wieder in Gelsenkirchen angerufen, da hat man mir gesagt, da würde sich nun die Kriminalpolizei drum kümmern. Ich habe den Beamten gefragt, ob er mir die Rufnummer des zuständigen Kriminalbeamten geben könnte. Da hat er mir gesagt, nein, das könne er nicht, da er nicht wüsste, wer den Vermisstenfall bearbeitet.“

„Bitte, was hat der gesagt? Er wüsste nicht, wer das bearbeitet?“

„Ja, das hat er gesagt, warum?“

„Blödsinn, natürlich weiß er das, das ist die KK12.“

„KK12? Was ist das?“

Kriminalinspektion 12, die Abteilung für Vermisstenfälle. Dort hätte er nur anrufen müssen und fragen brauchen.“

„Dann habe ich heute Vormittag mit dem Herrn Walter von der Kriminalinspektion 12 gesprochen.“

„Er hat sich also bei Ihnen gemeldet?“

„Nein, ich habe noch einmal angerufen. Es war ein anderer Beamte am Apparat als gestern. Der nette Polizist hat gesagt, er würde einmal nachhören und dann war dieser Herr Walter am Telefon. Er hat mir gesagt, sie wären am Vormittag noch einmal vor Ort gewesen, aber sie hätten niemanden angetroffen. Wissen Sie was dieser Herr Walter mich dann gefragt hat?“

„Nein, was denn?“

„Ob mein Sohn möglicherweise mit der Familie für ein paar Tage weggefahren wäre und ich nur nichts davon wüsste. Ja, da bin ich fast umgekippt. Ich habe ihm noch geantwortet, dass die Lena doch zur Schule müsste, da sagt der doch tatsächlich zu mir, für ein paar Tage könnte man sie doch krankmelden. Unglaublich.“

„Und dann haben Sie sich entschieden, dass Sie unsere Detektei einschalten?“

„Ja, genau. Mir ist in den frühen Morgenstunden der Fernsehbericht vom letzten Jahr wieder eingefallen. Ich konnte mich noch an Ihren Namen erinnern. Der Detektiv mit dem Namen des bekannten Dichters, der seine Nachbarin gerettet hat.“

„Gut, dann habe ich das, was ich wissen muss. Dann müssten Sie mir bitte noch den Ermittlungsvertrag unterschreiben“, sagte ich.

„Wann höre ich von Ihnen?“, wollte sie wissen.

„Am Abend, ich schlage vor, ich rufe Sie jeden Tag so um 17-18 Uhr an oder es meldet sich jemand für mich bei Ihnen. Sie erfahren auf alle Fälle jeden Tag, was wir herausgefunden haben und erhalten zum Abschluss noch ein komplettes Ermittlungsprotokoll.“

„Das hört sich gut an.“
Da Gabi und ich inzwischen mehr Erfahrungen mit Klienten hatten, legte ich ihr den Ermittlungsvertrag vor, den ich in ihrem Beisein ausfüllte. Sie unterschrieb ihn und gab mir noch die Anschrift ihres Sohnes in Ückendorf und des Arbeitgebers mit.
Mein nächster Weg führte mich nun nach Gelsenkirchen.

 

Montag, 13.30 Uhr
Gelsenkirchen Ückendorf

Bei Familie Westerkamp am Haus angekommen, schellte ich. Es war ein Mehrfamilienhaus auf der Bochumer Straße nahe des Ückendorfer Platzes. Die Familie wohnte in einem der zurückliegenden Häuser in der 1. Etage auf der linken Seite. Nach dem Aufdrücken betrat ich das Haus und stieg die Treppe zum 1. Stock hoch. Oben im Türrahmen stand ein junges Mädchen, was ich auf 8 Jahre schätzte und mich fragte.

„Wer bist du und was willst du bei uns?“

„Ich bin der Herr Göthe und möchte gerne mit deiner Mutter sprechen“, antwortete ich dem Kind.

„Die Mama kann jetzt nicht mit dir sprechen, die kocht für uns Nudeln mit Soße, wir essen nämlich gleich“, teilte mir die Kleine mit.

„Lena, wer ist denn da?“, hörte ich eine Frauenstimme von drinnen rufen.
Die kleine, die offensichtlich die schon benannte Lena war, verließ die Wohnungstür und ging zu ihrer Mutter in die Wohnung zurück.
Nach ein paar Stimmen kam Cornelia Westerkamp an die Wohnungstür. Eine blonde Frau mit Dauerwelle und Schürze umgebunden stand nun vor mir. Unaufgefordert teilte ich ihr mit.

„Guten Tag Frau Westerkamp, mein Name ist Göthe mit Ö. Ich bin Privatdetektiv und bin von Ihrer Schwiegermutter beauftragt worden Ihren Ehemann zu suchen.“

„Sie sind was? Ein Privatdetektiv? So einer wie Thomas Magnum aus dem Fernsehen?“

„Ja, so einer, nur dass ich keinen Ferrari fahre, sondern einen Ford Granada.“

„Und was wollen Sie jetzt?“

„Ich möchte mehr Informationen über Uwe haben. Seit wann genau ist er weg? Hat er noch etwas Bestimmtes gesagt? Ist etwas vorgefallen am Freitag?“

„Kommen Sie rein, das müssen ja nicht alle im Haus hören“, sagte sie und öffnete mir weiter die Tür.
Sie ging rechts in die Küche. Dort befand sich ein Tisch in der Mitte des Raumes. Sie ging zum Herd und schaltete das Nudelwasser aus, was fast kochte. Am Tisch saß Lena mit ihrer jüngeren Schwester.

„Guten Tag, die jungen Damen“, grüßte ich freundlich.

„Guten Tag“, erwiderte Lena und die kleine fragte.

„Was ist Damen, Mama?“
Ihre Mutter sah sie an und erklärte ihr.

„Das ist eine Bezeichnung für eine Frau aus dem Mittelalter. Das sagt man heute nicht mehr.“

„Was ist das Mittelalter, Mama?“

„Das erkläre ich dir später, Lisa.“
Cornelia drehte sich zu mir um und fragte mich.

„Wer bezahlt Sie denn überhaupt?“

„Meine Auftraggeberin, Ihre Schwiegermutter.“

„Bist du wegen Papa hier?“, fragte Lena mich.

„Ja, ich soll herausfinden, wo euer Papa jetzt ist“, antwortete ich der Achtjährigen.

„Geht mal in euer Kinderzimmer“, sagte Cornelia.

„Aber wir essen doch jetzt“, warf Lisa ein.

„Nein, jetzt nicht. Ihr bekommt gleich etwas zu essen. Geht jetzt, habe ich gesagt.“
Lena stand auf, nahm das Händchen ihrer kleinen Schwester und zog leicht daran. Mit dem Hinweis
‚komm wir spielen mit Puppen‘ verließen die beiden den Raum.

„Seit wann genau ist Uwe weg?“, fragte ich nach.

„Seit Freitag Spätnachmittag.“

„Wieviel Uhr?“

„So um fünf, halb sechs in etwa.“

„Was hatte er an?“

„Seinen blauen Trainingsanzug.“

„Hat er noch etwas mitgenommen?“

„Das weiß ich nicht, ich bin mit den Kurzen vor ihm gegangen. Ich war auf einer Tupperparty bei einer Freundin eingeladen.“

„Sie wissen also gar nicht wann er gegangen ist, ob er was bei sich hatte und Sie können jetzt auch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er noch den Trainingsanzug anhatte als er gegangen ist. Ist das richtig?“

„Na, klar wird er den angehabt haben. Den zog er sich ja an, als wir gegangen sind. Wieso sollte er sich den dann wieder ausziehen?“

„Was nimmt Uwe mit, wenn er laufen geht?“

„Nix, was soll er denn mitnehmen?“

„Was zum Trinken, zum Beispiel.“

„Das müsste er ja dann in der Hand halten. Nee, der nimmt nie was mit, außer seinen Schlüsseln und Kleingeld.“

„Was trägt er für Schuhe, wenn er läuft?“

„Na, so Turnschuhe halt.“

„Der Trainingsanzug ist einfach nur in blau oder ist da noch etwas Besonderes dran? Etwas, woran man ihn leicht erkennt?“

„Äh… der hat so drei weiße Streifen an den Seiten der Hose und an der Jacke. Darunter trägt er immer sein Fußballtrikot.“

„Sein Fußballtrikot? Von welchem Verein?“

„Hier von der Arminia Ückendorf.“

„Die Hose und Oberteil?“

„Nee, nur das Oberteil. Das ist grün.“

„Spielt er noch Fußball oder hat er gespielt?“

„Hat, er spielt seit drei Jahren nicht mehr. Aber von dem blöden Trikot will er sich nicht trennen.“

„Wenn er Fußball gespielt hat, dann hatte er doch bestimmt mehrere Trikots, oder?“

„Ja, vier Stück.“

„Und wie viele sind noch hier?“

„Weiß ich nicht.“

„Könnten Sie einmal bitte nachsehen“, bat ich sie.
Mit Augen verdrehen und einem leichten Schnaufen verließ sie die Küche. Ich folgte ihr auf Abstand. Durch die Diele und Wohnzimmer ging es ins Schlafzimmer. Dort blieb ich vor dem Türrahmen stehen. Zielsicher öffnete sie die linke Schrankseite, sah hinein und meinte.

„Äh, hier ist nur eins. Mmh…“, weiter sprach sie nicht.

„Sind die anderen in der Wäsche?“, erkundigte ich mich.

„Möglich“, bekam ich zur Antwort.
An mir vorbei gehend ging sie zum Badezimmer. Dort war die Badewanne gut mit Wäsche gefüllt, die gewaschen werden musste. Sie durchwühlte den Wäschehaufen und fand zwei weitere Trikot-Oberteile. Eines hielt sie hoch. Auf der Rückseite stand die Zahl 11.

„Haben alle Trikots die 11 auf dem Rücken stehen?“

„Ja, alle, warum?“

„Nur so“, sagte ich und öffnete meine Umhängetasche.
Ich holte die Digitalkamera heraus und machte ein Foto von der Rückseite des Trikots mit der 11 und bat sie mir es einmal von vorne zu zeigen. Auch von der Seite machte ich eine Aufnahme. Anschließend erkundigte ich mich, wo genau Uwe denn immer laufen gehen würde.

„Er läuft die Straße gegenüber herunter, die direkt im Park endet. Von dort läuft er dann die alte Halde hoch und dann weiter nach Wattenscheid. Dort trinkt er sich dann immer irgendwo ein Bierchen und läuft den gleichen Weg zurück.“

„Ihre Schwiegermutter hat mir gesagt, Sie und Uwe hätten am Freitag eine Meinungsverschiedenheit gehabt.“

„Ach, das hat sie Ihnen erzählt.“

„Offensichtlich und worum ging es?“

„Um die Tupperparty. Er wollte, dass ich nichts mehr kaufe. Er meinte, ich hätte schon genug davon Zuhause.“

„Frage, war es eine Meinungsverschiedenheit oder eher ein Streit?“

„Ich glaube, das geht Sie gar nichts an und ich muss Ihnen auch keine Frage beantworten.“

„Da haben Sie Recht, wenn Sie sagen, Sie müssen mir die Frage nicht beantworten. Ich gebe Ihnen aber den Tipp, lieber mit mir zu sprechen, als mit der Polizei. Die hat bestimmt noch ganz andere Fragen als ich. Denn eines muss man sich ja mal fragen, warum hat Ihre Schwiegermutter ihren Sohn als vermisst gemeldet und nicht sie?“

„Weil die sich immer in alles einmischt und dann habe ich zu ihr gesagt, dann kann sie ja zur Polizei gehen.“

„Wieso sagt sie denn, Sie hätten behauptet, Uwe wäre abgehauen?“, fragte ich nach.

„Weil ich das zu ihr gesagt habe. So ähnlich wie… vielleicht ist er ja auch abgehauen und lässt uns nun alleine hier sitzen.“

„Dann war das nur eine lose Behauptung. Er hat also nicht irgendwelche Sachen eingepackt, oder so?“

„Nein, sagte ich doch schon. Im Kleiderschrank fehlt nichts. Ich war auch im Keller, die Koffer sind auch noch da.“

„Sie haben ein Auto, darf ich annehmen?“

„Ja, der silberne Opel Astra vor der Tür ist unser. Wenn er abgehauen wäre, dann hätte er den mitgenommen. Ich fahre nicht so gerne Auto, müssen sie wissen.“

„Wie lange war Uwe immer so unterwegs, wenn er laufen gegangen ist?“

„Na, so 3 bis 4 Stunden.“

„So lange?“, fragte ich erstaunt nach und wollte es nicht glauben.

„Ja, er ist dann immer noch in der Nähe vom Lohrheidestadion irgendwo eingekehrt.“

„Das ist dann mit dem Bierchen gemeint?“

„Ja, genau.“

„Noch eine Frage. Wann hätten Sie denn jetzt etwas unternommen und wären zur Polizei gegangen?“

„Ich habe gedacht, die wissen ja das er weg ist und werden dann schon hierherkommen und ihn suchen gehen.“

„Sie haben ihn nicht gesucht und sind auch nicht die Strecke abgelaufen?“

„Nein, wie denn auch mit den beiden Kurzen. Wie hätte ich das denn machen sollen?“

„Na gut, dann habe ich das erst einmal. Haben Sie noch ein aktuelles Foto von ihm?“

„Nein, wir haben zwar einen Fotoapparat aber schon lange keine Fotos mehr gemacht. Uwe hatte keine Lust dazu und ich habe kein Händchen dafür.“
Ich holte das Foto aus meiner Umhängetasche heraus, was ich von seiner Mutter bekommen hatte und erkundigte mich, ob das noch so einigermaßen aktuell wäre.

„Ja, so ungefähr“, war die Aussage.

„Ach, da fällt mir noch etwas ein. War die Polizei bei Ihnen?“

„Nein, dann hätte ich das ja gesagt.“

„Können Sie mir verraten wo Sie am Sonntag und heute Morgen waren? Angeblich hat die Polizei versucht Sie aufzusuchen.“

„Sonntag war ich mit zwei Freundinnen und deren Kindern im Nienhauser-Park. So von 10 bis spät nachmittags. Äh… und heute… habe ich Lisa in den Kindergarten gebracht und war danach noch Einkaufen in der Stadt. Da laufe ich immer hin. Auf dem Rückweg habe ich Lisa wieder abgeholt“, machte Cornelia Westerkamp die Aussage.

„Dann war die Polizei bestimmt jedes Mal hier.“

„Ja, wenn die einfach so verbeikommen, dann müssen die sich ja auch nicht wundern, wenn ich mal nicht hier bin.“

Ich weiß noch, was ich gedacht habe als ich diesen Satz gehört habe. Man muss sich mal vor Augen halten, es ging nicht um irgendetwas, sondern um ihren Ehemann, der weg war.

„Gut, dann verabschiede ich mich mal von Ihnen und komme noch mal wieder, wenn sich etwas ergeben hat“, sagte ich zu ihr.

„Von mir bekommen Sie aber kein Geld, falls Sie das hoffen“, durfte ich mir noch anhören.
Ohne weitere Worte zu verlieren verabschiedete ich mich und verließ ich die Wohnung.
 

 

 
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