Taschenbuch:
ISBN: 9783753122229
Inhaltsangabe: Im zweiten Teil der Geschichte hat die organisierte Kriminalität weiteren Einfluss auf den Tourenwagen-Sport genommen. Erst durch das Verschwinden eines Reporters und der Unterstützung von Mark Kirchheim und seinem Team kommt Licht ins Dunkel. Die Ermittlungen nehmen Fahrt auf und die Täter können ermittelt werden.
Leseprobe: Lanzarote gehört zu den Kanarischen
Inseln und der Ort Playa Blanca befindet sich im Süden der Insel. Im Jahre 1993
war am Rand des Ortes, Richtung Westen blickend, die vorletzte Hotelanlage Playa
Flamingo. Heute ist das nicht mehr der Fall. Der Ort hat sich inzwischen wesentlich
vergrößert. 7. Februar 1993, Sonntag, 10.30 Uhr Im Oktober hatten Mark und Michaela
einen Urlaub in dieser Bungalow-Anlage gebucht. Der erste gemeinsame Urlaub der
beiden. Da die Ferienanlage eine eigene Bucht hat, lagen sie an diesem Sonntag
das erste Mal zusammen am Strand. Am Vortag waren sie frühmorgens mit einer
LTU-Maschine am Flughafen von Arrecife angekommen. Während Michaela ruhig den
Flughafentransfer von der Ferienanlage genutzt hätte, wollte Mark schon im
Reisebüro einen Leihwagen am Flughafen bereitstehen haben. Und so hatten sie
einen Seat Marbella gebucht. Mit diesem Kleinwagen und ihren beiden Koffern
waren die beiden knapp eine dreiviertel Stunde über kleine alte Landstraßen
nach Playa Blanca gefahren. Dort angekommen hatten sie die Koffer als erstes
ausgepackt, um anschließend eine halbe Stunde zum Ortskern über die Promenade
an weiteren Hotelanlagen und dem Hafen vorbeizugehen. Im Ort gab es einen
kleinen Supermarkt, in dem sie eingekauft hatten. Natürlich war Mark Gentleman
alter Schule und trug die beiden Tüten mit Getränken und Knabbereien zu ihrem
Bungalow zurück. Das er sich während des Weges immer wieder fragte, warum er
jetzt nicht mit dem Seat gefahren sei, muss wohl nicht erwähnt werden. Mark hatte
das aber inzwischen längst wieder vergessen als er neben seiner Michaela im
Sand lag. Für Kälte gewöhnte Deutsche waren 18 bis 20 Grad schon warm im
Februar. Natürlich war es für Bikini und Badehose noch zu frisch. Aber in
kurzer Hose und T-Shirt ging es. Nachdem beide knapp eine Stunde so da lagen
und die Sonne genossen, wollte Mark von ihr erfahren. „Sag mal, du hast doch einen
Reiseführer gekauft?“ „Ja, habe ich“, antwortete sie. „Hast du da schon mal reingeschaut?“ „Habe ich, warum?“, fragte sie und
lächelte dabei. „Was können wir uns denn morgen mal
ansehen?“ „Das kann ich dir sagen, ich habe
den Reiseführer sogar dabei. Einen Augenblick.“ „Also“, fing sie an. „Da ist zum
ersten der Nationalpark Timanfaya. Oben im Norden gibt es Jameos del Agua. Das
ist ein Lavatunnel, in dem es einen See gibt, in dem weiße Krebse leben. Die
sollen einmalig auf der Welt sein. Oder La Geria, ein Weinanbaugebiet im
schwarzen Lavagestein. Mmh ... das hier ist auch sehr interessant. Es gibt ein
Haus von einem spanischen Maler, Architekten und Bildhauer. Der heißt ...
warte, ich finde es gleich ... César Manrique. Der ist übrigens letztes Jahr im
September verstorben. Das Haus ist zum Teil unter der Erde in Lavablasen
gebaut.“ „Klasse, hört sich toll an. Womit
fangen wir morgen an?“, wollte Mark wissen. „Wie du willst.“ „Dann machen wir es der Reihe nach,
wie du es vorgelesen hast.“ „Was macht ihr denn hier?“, wollte
Bernhard wissen. „Urlaub, so wie ihr zwei anscheinend
auch“, antwortete Mark strahlend zurück. „Das ist kein Urlaub, sondern wir
sind im Trainingslager“, antwortete Rudolf. „Trainingslager, hier auf dem
Markt?“, fragte Mark und lächelte dabei. „Einen Tag in der Woche haben wir
frei.“ „Ihr zwei macht also hier Urlaub?“,
fragte Bernhard. „Ja, unser erster gemeinsamer“,
sagte Michaela. „Wo wohnt ihr denn?“, wollte Rudolf
wissen. „In Playa Blanca“, antwortete Mark.
„Und ihr?“ „Oben im Norden in einem Sporthotel.
Da, wo nix los ist“, sagte Bernhard und verzog das Gesicht erneut. „Habt ihr Zeit? Wir könnten uns
zusammen dort drüben in die Bodega setzen“, schlug Bernhard vor. „Ja, Klasse, das machen wir“,
freute sich Mark und sah dabei Michaela an. „Ja, das kann man wohl sagen. Damit
hat keiner gerechnet. Zumal wir ja ein paar Tage vorher noch in München bei BMW
waren und die Zusicherung für dieses Jahr bekommen haben.“ „Was macht ihr jetzt?“, wollte
Bernhard wissen. „Wir nehmen wie geplant teil.“ „Klar, mit eurem bisherigen M3
also“, beantwortete Bernhard sich seine Frage selbst. „Den haben wir natürlich noch.
Könnten wir auch nehmen“, erwiderte Mark. „Könnten?“, fragten Bernhard und
Rudolf gleichzeitig. „Wir haben einen anderen Wagen“,
sagte Michaela. „Jetzt sag nicht auch einen Alfa
Romeo 155 V6?“ „Nein, keinen Alfa“, erwiderte
Mark. „Einen Ford Mustang 5 Liter etwa?“,
fragte Bernhard. „Ich sag es euch. Einen 190E 2,5
16V EVO 2.“ „Nein. Das gibt es doch nicht“, sagte
Bernhard schaute Rudolf an und meinte. „Der da wird einer von uns.“ „Ja, da legst dich nieder“, sagte
Rudolf. „Wie ist es denn dazu gekommen?“ „Bitte du zuerst, Liebling“, sagte
der Gentleman. „Nein Schatz, du zuerst“,
antwortete sie. „Mm... ich wollte dich fragen...“,
er wurde rot im Gesicht. „Ja, was wolltest du mich fragen“,
sagte sie nach ein paar Augenblicken. „Mm... also ich wollte dich
fragen... du hast mich doch lieb?“ „Natürlich.“ „Und wir bleiben doch zusammen,
oder?“ „Was ist das denn für eine Frage?
Natürlich bleiben wir zusammen“, erwiderte sie und lächelte ihn weiter an. „Könntest du dir vorstellen...
äh... also ich meine... du und ich.“ „Ja?“, fragte sie ihn und nickte
dabei. Und fast rausrufend sagte Mark: „Kannst du dir vorstellen, dass wir zwei
uns verloben?“ „Ja, mein Schatz. Nichts lieber als
das.“ 19. Februar 1993, Freitag, 10.00 Uhr Wie jeden Morgen befand sich auch
an diesem Michele Alessandro Mascali um diese Uhrzeit im Wintergarten. Nicola
und Janni waren dabei zu frühstücken. Signore Mascali hatte schon eine Stunde vorher
gefrühstückt und war sehr neugierig auf die jüngsten Berichte der Männer. Da
seit Ende Oktober das Anwesen von der Polizei nicht aus dem Auge gelassen wurde,
hatte Nicola die Mitarbeiter in einem kleinen Gasthof im Westerwald getroffen.
Da Janni nicht direkt über die Aktionen der beiden und der Männer informiert
werden sollte, musste er warten bis Janni sich später mit seinen beiden Freunden
traf. Solange konnten Signore Mascali und Nicola nicht über die jüngsten
Ereignisse sprechen. Zu seiner Überraschung traf sich Janni nicht mit seinen
beiden Freunden sondern eine halbe Stunde später kamen Giuseppe Lombardi mit
seinem Porsche 911 Turbo S und Emanuele De Rosa mit dem Ferrari F40 auf das
Anwesen gefahren, was Jannis Vater jetzt eher positiv fand als noch einige
Monate zuvor. Da hatte er Josef, dem alten Hausangestellten, noch die Anweisung
erteilt, die beiden nicht mit ihren auffälligen Fahrzeugen auf das Gelände zu
lassen. Seit sie aber von der Straße aus immer noch von einem Observierungs-Team
in einem älteren Ford Sierra überwacht wurden, war jetzt jede auffällige
Abwechslung gut. Bei der Ankunft von Giuseppe und Emanuele wurden die Insassen
im Observierungs-Wagen sehr unruhig, hektisch und rutschten auf ihren Sitzen
herum. Am liebsten hätten sie jetzt eines der neuen Mobiletelefone gehabt.
Hatten sie aber nicht, das war zu teuer für die Polizei. Es gab zwar den Funk
im Wagen, der funktionierte aber nicht überall gleich gut und das wussten die
beiden im Auto und genau an einer solcher Stelle befanden sie sich nun seit
fast drei Monaten im regelmäßigen Wechsel. Sie notierten sich die Kennzeichen.
Beide überlegten, was nun zu tun sei. Die Ablösung würde erst in ein paar
Stunden kommen. Könnten sie die Stelle verlassen und einen Kilometer die Straße
runterfahren, wo eine bessere Funkverbindung war? Nein, konnten sie nicht oder
richtiger gesagt, konnten sie schon. Es wäre aber nicht gut gewesen, den Posten
zu verlassen. Beide entschieden sich vor Ort zu bleiben und weiter aufzuschreiben,
wer und wann das Grundstück befuhr und verließ. Josef brachte für Giuseppe und
Emanuele zwei Kaffee in den Wintergarten. Signore Mascali wollte von den dreien
wissen, was sie an diesem Tag vorhatten. Nicht das ihn das interessiert hätte.
Tat es nur bedingt, um nicht zu sagen, fast gar nicht. Eigentlich wollte er nur
wissen, wie lange die drei bleiben würden. Denn schließlich brannte er darauf,
zu erfahren, was es Neues in dem Geschäftsbereich Motorsport gab. Zu seinem Leidwesen
musste er hören, dass die drei gar keine Pläne hatten. Wer Signore Mascali
genau kannte, konnte sehen, dass ihm das nicht gefiel. Kurzer Hand machte er
den jungen Männern einige Vorschläge, was sie tun könnten. Wie zum Beispiel
neue Anzüge kaufen, nach Schuhen schauen oder vielleicht mal nach den neusten Automobil-Modellen.
Janni merkte sofort, dass sein Vater ihn eigentlich nur aus dem Haus haben
wollte, ließ sich aber nichts anmerken. Dafür nutzte er die Gelegenheit und
nahm den Vorschlag von ihm wörtlich. Noch nie war er von seinem Vater aufgefordert
worden nach neuen Autos zu schauen. Deshalb hakte er nach: „Und wenn wir für
mich einen schönen Wagen gefunden haben, sagst du nur wieder ‚der ist zu
auffällig‘ und ‚dein Alfa reicht doch noch‘.“ „Wie sieht es jetzt mit dem
Jannson-Team aus? Haben die jetzt die neuen Alfas bekommen?“ „Ja, haben sie, aber mit
Verspätung. Die sind erst Mitte Januar bei denen eingetroffen.“ „Was ist jetzt mit den beiden
Fahrern?“ „Ich will hoffen, dass das klappt
und wenn nicht, tauschen wir die beiden Fahrer aus.“ „Bene (in Ordnung), wie willst du
das machen?“ „Wir sorgen dafür, dass die beiden
durch einen Verkehrsunfall für ein paar Monate ausfallen. Dem Team präsentieren
wir dann zwei von uns ausgesuchte Fahrer.“ „Grande (Großartig), was habt ihr
mit dem Bogandi-Team unternommen?“ „Wie du es wolltest, erstmal
nichts. Müssen wir wahrscheinlich auch nicht, seit BMW aus der DTR ausgestiegen
ist, mache ich mir keine Sorgen mehr.“ „Grande. Was ist mit diesen beiden Reportern?“ „Du meinst diesen Bishelm und den
Heims?“ „Ja, so heißen die beiden, glaube
ich.“ „Italiano und Filippo sind beiden
auf der Spur. Ich will wissen, seit wann die bei den Redaktionen arbeiten, wo
sie wohnen, haben sie Familie, wer sind ihre Freunde und so weiter.“ „Dann bin ich gespannt, was die
beiden herausfinden.“ „Ich habe mir schon länger Gedanken
gemacht, wie wir die Polizia da draußen los werden.“ Dann sah er seinen Sohn an
und sagte weiter. „Ich habe dir übrigens auch noch was Neues zu erzählen. Die
beiden Polizia-Leute, die schon mal da waren, haben uns letzten Donnerstag noch
mal besucht.“ „Am Donnerstag, das war doch der 11.
Februar?“ „Ja, kann sein, dass das der 11.
war.“ „Ist das wichtig?“ „Das war der Tag als ich mit den
Männern im Westerwald war.“ „Mmh, bene. Also, die beiden wollten
wissen, woher wir den Radan und den Russen kennen würden.“ „Und, was hast du gesagt?“ „Die wären uns von Bekannten
vorgestellt worden. Nach einiger Zeit hätten sie sich den Mercedes von Josef
ein paar Mal ausgeliehen. Die sagten, dass der Wagen in Frankfurt gefunden
worden ist. Da waren wir natürlich sehr überrascht.“ „Kann ich mir vorstellen.“ „Und weiter?“ „Die schienen erstmal damit
zufrieden zu sein. Dann haben wir gefragt, wann Josef seinen Mercedes wiederbekommt.
Das wussten sie noch nicht und sind danach gegangen. Das war es.“ „Bene.“ „Ach, was ich auch noch nicht erzählt
habe, Roberto hat das ´Casa Sicilia´ geschlossen und an Landsleute verkauft.
Die haben es jetzt in ´Il Mulino´ umbenannt.“ „Kennen wir die?“ „Nein, sind Fremde. Haben mit keiner
Zentrale zutun., sind einfach nur Landsleute.“ „Wo ist Roberto jetzt?“ „Mit Giulia wieder auf Sizilien.
Bernardo ist das Restaurant zu gefährlich geworden.“ 20. Februar 1993, Samstag, 9.40 Uhr Wie schon bekannt, befand sich auch
an diesem Morgen Signore Mascali um diese Uhrzeit im Wintergarten und
frühstückte mit Nicola zusammen. Janni war am Vortag erst sehr spät nach Hause
gekommen, so das es keiner mehr mitbekommen hatte, da alle schon geschlafen hatten.
Er war mit seinen beiden Freunden zu dem größten Fiat- und Alfa Romeo Händler
in Frankfurt am Main gefahren. Bei einem Besuch bei seinem Alfa-Scorcese-Team,
ein paar Tage zuvor, hatte er einen wunderschönen Lancia bei dem Händler
gesehen. Einen solchen Lancia Delta Integrale Evo I mit 16V-Motor ohne
Katalysator hatte er nun bestellt. Dieser musste aber erst aus Italien geholt
und dort angemeldet werden, da es für Deutschland den Wagen nur als 8-Ventiler
mit Katalysator gab. Den wollte Janni natürlich nicht. Er war sich sicher, dass
sein Vater nichts gegen ein relativ kleines Auto aus Italien sagen würde. War
ja kein Ferrari. Als er in den Wintergarten kam begrüßte er die beiden. Sein Vater
hatte den Kauf eines neuen Wagens schon längst wieder vergessen. Somit musste
er sich auch nicht wundern, dass er ihn gar nicht fragte, ob er ein schönes
neues Auto gefunden hätte. Janni fiel die Möglichkeit, dass sein Vater nicht
mehr dran denken würde, überhaupt nicht ein. Er setzte sich dazu und Josef
brachte ihm ein paar Minuten später auch sein Frühstück, wie immer einen
Cappuccino und ein Croissant. Vater und Bruder unterhielten sich währenddessen
weiter. Nach einer ganzen Weile, Janni hatte sein Croissant schon längst
aufgegessen, nutzte er eine Unterbrechung der Unterhaltung. „Ich habe gestern was Tolles gefunden.“ „Wir sind gestern nach Frankfurt gefahren.“
„Prima.“ „Aha.“ Sagten beide. „Wir sind bei dem Händler von
meinem Team gewesen.“ „Er ist rot“, sagte er voller
Begeisterung. „Wer ist rot?“ „Mein Auto“, antwortete er und
strahlte dabei. „Warum sagst du uns das? Ich weiß
doch, dass der rot ist“, erwiderte sein Vater leicht genervt. „Ja, woher weißt du das denn?“ „Oh mio dio (Oh mein Gott). Der
steht doch seit drei Jahren vor dem Haus. Was soll das jetzt?”, wunderte sich Michele
etwas angefressen. „Ich spreche doch nicht von dem
Spider.“ „Sondern?“ „Von dem Wagen, den ich gestern
bestellt habe.“ „Was hast du?“ „Ich habe einen Lancia Delta
Integrale gekauft.“ „Wie bitte! Ich habe doch gestern
gesagt, du sollst zuerst mit mir sprechen, bevor du einen Kaufvertrag unterschreibst.
Mama mia!“, schrie er und haute mal wieder mit der Faust auf den Tisch, so dass
die Kaffeetassen einen Satz machten. Josef hörte das Schreien, den Schlag auf
den Tisch und kam in den Wintergarten gelaufen. Er blieb am Eingang stehen und
sah sich um. Signore Mascali hielt lautstark seinem Sohn eine Standpauke. Janni
sah seinen Vater an, stand auf und unterbrach ihn. „Es reicht, Padre. Ich bin kein
Kleinkind, was du zurechtweisen musst.“ „Anscheinend ja doch und unterbreche
mich nicht noch einmal, wenn ich dir etwas zu sagen habe.“ „Es reicht, Padre, es reicht“,
schrie Janni zurück und ging Richtung Wohnzimmer. „Bleibst du wohl hier“, rief er
hinterher. Samstag, 13.30 Uhr Dorothea und Uwe Müller standen in
der Ankunftshalle, um die beiden abzuholen. Michaela kam vor Mark aus dem
Zollbereich und sah ihre Eltern als erstes. Sie freuten sich, die beiden gesund
und munter wiederzusehen. Auch Mark und besonders Michaela waren über das Wiedersehen
glücklich. Auf dem Weg nach Hause erzählte sie von der Verlobung. Dorothea und
Uwe waren nicht überrascht, sie hatten schon damit gerechnet. Mark war
sichtlich erleichtert über die positive Reaktion und strahlte. Zuhause bei Müllers
angekommen, berichteten sie, bei Kaffee und Kuchen, ausführlich von ihrem
Urlaub. Michaelas Eltern hatten vor fast 27 Jahren ihre Hochzeitsreise nach
Lanzarote gemacht. Daher wollten sie wissen, wie es jetzt dort aussah. Michaela
versprach, sofort am Montag die Fotos entwickeln zu lassen. Die vier
unterhielten sich auch über die Zukunftspläne der beiden jungen Leute. Einen
Hochzeitstermin hatten sie zwar noch nicht, dafür wussten beide aber, wie die
nächsten Wochen aussehen sollten. Als erstes würde Michaela zu Mark ziehen. An
den Rennwochenenden, an denen sie im PZ arbeiten müsste, könnte sie ja bei
ihren Eltern schlafen. Das freute Dorothea und Uwe natürlich. Beide erzählten,
dass sie sich nach einer neuen Wohnung umsehen wollten, da die von Mark nur eine
kleine Zwei-Raum-Wohnung in einem Reihenhaus war. Die Eigentümer wohnten in
einer Vier-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. Die Erdgeschosswohnung, auch aus
vier Zimmern bestehend, war genauso vermietet, wie die Dachgeschosswohnung, wo
Mark wohnte. Im Sommer war es unter dem Dach viel zu warm und im Winter zu
kalt, was daran lag, dass die Isolierung nicht die beste war. Auch störte Mark
die ständige Kontrolle und Kommentare durch seine Vermieter. Sie machten ihre
Tür auf, wenn er an deren Wohnungstür vorbeiging und sagten ihm so Dinge wie: Samstag, 15.00 Uhr Janni war längere Zeit ziellos
durch die Gegend gefahren, ohne zu wissen, was er nun machen sollte. Denn
schließlich war seine überstürzte Abreise von Zuhause nicht geplant gewesen.
Gegen Spätmittag war er nach Düsseldorf zu seinem Freund Emanuele gefahren. Von
dessen Mutter hatte er erfahren, dass Emanuele mit seinem Vater nach Italien zu
mehreren italienischen Winzern gefahren sei. Davon hatte Emanuele am Vortag gar
nichts gesagt. Gut, sagte er sich ‚Dann versuche ich es bei Giuseppe,
vielleicht kann ich dort ein paar Tage verbringen‘. Eine Stunde später stand er
bei Familie Lombardi vor der Tür. Das Haus war auch groß, nicht so schön
gelegen wie das von seinem Vater, aber auch Klasse. Mit sehr geringen
Erwartungen war er dort hingefahren, umso mehr war er überrascht, dass Signore
Lombardi keine Einwände hatte, dass Janni ein paar Tage bei Giuseppe blieb.
Seine Eltern wollten gar nicht wissen, warum er bei Giuseppe übernachten wollte.
Zumindest fragten sie nicht. Dieser freute sich über den spontanen Mitbewohner.
Janni bekam eines der drei Gästezimmer mit eigenem Bad, das hatte er noch nicht
mal Zuhause in Köln. Er war gerade dabei seine Reisetasche auszupacken als es
an der offenstehenden Tür klopfte. „Un buon giorno, Signore Mascali
(Guten Tag, Herr Mascali), ich bin Emilia“, sagte eine ältere Frau. Janni stutzte
kurz. „Buon giorno Emilia, sie können
ruhig Janni zu mir sagen”, grüßte er zurück. „Ich habe gehört, du bleibst einige
Tage bei uns?“ „Ja, Signore Lombardi war so
freundlich.“ „Ich möchte dich fragen, was du
heute Abend zu essen wünscht?“ „Das weiß ich nicht. Was essen die
anderen denn?“ „Das ist unterschiedlich. Signore
und Donna Lombardi wünschen als Antipasti (Vorspeise) Parmigiana di melanzane (Gemüseauflauf; der
besonders in Süditalien weit verbreitet ist) und als Hauptspeise Arrosticini
(Grillspezialität aus den Abruzzen). Giuseppe möchte wie häufig als Antipasti
Spaghetti alla puttanesca (Spaghetti mit einer scharf-würzigen Tomatensauce,
ein aus Süditalien stammendes Nudelgericht) und als Hauptspeise Bistecca alla fiorentina (T-Bone-Steak
nach Florentiner Art).“ „Ich nehme das gleiche wie
Giuseppe“, sagte er schnell. „Oh, das musst du nicht. Ich koche
dir auch gerne etwas besseres.“ „Nein, ich möchte auch gerne die
Spagetti haben.“ „Ich habe dir doch in Magny Cours
gesagt, wie toll ich den Tourenwagensport finde?“ „Ja, hast du.“ „Als wir dann am Hockenheimring bei
Mark und seinen Freunden waren, habe ich gesehen, mit wie wenigen Mitteln man
diesen Sport betreiben kann.“ „Na ja, wenige Mittel sind das
nicht. Für Mark ist das ein Riesenbatzen Geld.“ „Janni, was glaubst du, kostet ein
Jahr in dem Sport?“, fragte Signore Lombardi. „Oh, das ist eine schwere Frage.“
Er machte eine Pause und überlegte. „Also, da ist zum ersten der Wagen. Gebraucht
muss man da mindestens wohl so mit 95.000 DM rechnen. Die Ausrüstung, die
Halle, ein geeignetes Transportfahrzeug und alle laufenden Kosten, wie Reifen,
Benzin, Ersatzteile, Anmeldegebühr und weiteres... mmh... schwer zu sagen, so
mindestens noch mal 75.000 DM aufwärts. Das sind dann aber nur die Kosten von
Mark und seinen Freunden und die machen alles selber.“ „Weißt du denn was dein Team pro
Jahr für Kosten hat?“ „Ja, alles zusammen waren es letztes
Jahr etwas über eine Millionen DM.“ „Aber warum fragt ihr? Wollt ihr
mitfahren?“, fragte Janni. „Ich habe mit dem Gedanken gespielt
und mit meinen Eltern darüber gesprochen“, antwortete Giuseppe. „Und ist das jetzt konkret?“,
wollte Janni wissen. „Es kommt natürlich auf die Kosten
an“, sagte Signore Lombardi. „Ich war vor Weihnachten bei Mark
in der Halle in Gelsenkirchen Feldmark. Der hat noch seinen alten BMW M3 dastehen,
vielleicht fragst du mal, ob du dir den Wagen leihen kannst.“ „Ja aber, den braucht Mark doch
selber, oder nicht?“ „Nein, der hat jetzt einen Mercedes
190E 2,5-16 EVO 2 von einem Freund von Michaelas Vater.“ „Wer ist Michaela?“, fragte Signore
Lombardi. „Das ist die Freundin von Mark.“ „Giuseppe, dann frag diesen Mark
doch mal und vielleicht können wir den M3 auch kaufen.“ „Den wird er nicht verkaufen, denn
den 190er hat er nur zur Verfügung gestellt bekommen und fährt Werbung für die
Bank von diesem Freund. Wenn der das Sponsoring einstellt, hätte er keinen
Wagen mehr. Das wird er nie tun. Den M3 hat er von der Erbschaft seine Opas gekauft.“ „Dann fragt ihn doch mal, ob er den
verleiht und was er dafür haben will“, meinte Giuseppes Vater. „Das beste wird sein, wenn Mark das
machen sollte, dass du als Teammitglied im zweiten Wagen vom Kirchheim-Team
fährst.“ „Wieso das denn?“ „Weil du dich sonst als eigenes
Team anmelden muss und registriert wirst. Wenn du dann feststellst, dass du
nicht schnell genug bist, bleiben die Kosten für die laufende Saison. Mark aber
kann ohne Probleme einen zweiten Wagen melden und es kostet auch weniger als
die Hälfte.“ „Dann ruft doch zusammen den Mark morgen
mal an und sprecht mit ihm.“ „Der ist mit Michaela im Urlaub.
Ich glaube, der kommt dieses Wochenende wieder. Er hat mir gesagt, wenn ich ihn
anrufen wolle, könnte ich ihn am besten auf seiner Arbeit erreichen.“ „Auf seiner Arbeit? Was arbeitet
der denn?“, wollte Signore Lombardi wissen. „Der ist bei einer Fenster- und
Türen-Firma beschäftigt.“ „Und wann kümmert er sich um den
Rennwagen und alles andere?“ „Nach Feierabend und an den
Wochenenden.“ 22. Februar 1993, Rosenmontag, 9.10 Uhr Die Kripo-Beamte Hans-Dieter
Reichel und Lothar Knapp befanden sich selbst an einer der wichtigsten Tage in
Köln an ihren Schreibtischen und lasen den Observierungsbericht der letzten
Woche. „Ist das jetzt eine Woche her, dass
der Thomas vom BKA angerufen und gesagt hat, dass der Fall Mascali von denen
erstmal eingestellt wird?“, fragte Lothar. „Ja.“ „Da ist letzte Woche nichts weiter
passiert. Außer, dass am Freitag super teure Sportwagen auf das Grundstück gefahren
sind. Hinterher ist einer der Mascali-Söhne mit den anderen wieder weggefahren.
Jeder in seinem eigenen Sportwagen.“ „Sonst nix?“ „Nein, nichts.“ „Dann sollten wir die Observierung
wohl mal einstellen.“ „Stimmt, kommt wirklich nichts bei
raus. Die Kostenstelle hat auch schon nachgefragt, ob das denn noch sein müsste.“ „Und?“ „Jo, muss, habe ich gesagt. Sonst
würden die ja nicht immer noch dastehen.“ „Kam aber nicht gut an, oder?“ „Nö, aber du kennst die doch.“ „Okay, dann rufe ich mal in der
Observierungs-Stelle an“, sagte Hans-Dieter, nahm den Hörer seines Telefons ab
und wählte die interne Rufnummer. „Geht keiner dran.“ „Ja, ist heute auch kein Wunder.“ „Stimmt, die sind bestimmt alle auf
dem Karnevalszug.“ „Dann lass uns zu den Kollegen
fahren und wir sagen es ihnen selbst.“ „Gut, so machen wir es.“ Rosenmontag, 10.40 Uhr Signore Mascali betrat die Küche
und schaute Josef an. Dieser war sehr erstaunt, dass sein Capo zu ihm kam. Das
war nicht normal. Er konnte noch nicht mal sagen, wann er das letzte Mal höchstpersönlich
dort gewesen war. Trotzdem wusste er sofort, was jetzt kommen würde. „Josef“, sagte er. „Ja, Signore Mascali.“ „Wo ist Janni? Wir haben jetzt
Montag und er ist noch nicht wieder da.“ „Das kann ich Ihnen nicht sagen,
Signore Mascali, ich weiß es nicht.“ „Er hat sich auch nicht bei dir
gemeldet?“ „Hätte er das tun sollen?“, fragte
Josef etwas scheinheilig, was sein Boss sofort bemerkte. „Josef, jetzt fang du nicht auch
noch so an. Also?“ „Nein, er hat sich seit Samstag
nicht bei mir gemeldet.“ „Josef, hat Janni auch so ein
mobiles Telefon?“ „Nein, hat er nicht.“ „Warum nicht?“ Josef stutzte und antwortetet:
„Möchten Sie, dass ich auf die Frage antworte?“ „Ja, bitte.“ „Sie haben doch immer zu ihm
gesagt, dass man so einen modernen Mist nicht braucht, oder?“ „Bin ich zu streng mit ihm?“ „Ehrlich?“ „Ja natürlich.“ „Mmh... Sie übertreiben es mit Ihren
Vorschriften bei ihm. Sie behandeln ihn wie ein Kleinkind.“ „Als ich erwachsen war, gar nicht.
Als ich so alt war wie Janni, gehörte ich schon zur Zentrale.“ „Aha... dann wundern Sie sich jetzt
noch? Sie können froh sein, dass er auf seine Mutter herauskommt.“ „Was soll das denn heißen?“ „Wäre er wie sein Bruder, würden
Sie mit ihm überhaupt nicht so umspringen und das wissen Sie auch.“ „Josef, ich muss dich doch sehr
bitten“, sagte Signore Mascali etwas erbost. Dann sah man, das er nachdachte
und sagte nach einigen Augenblicken: „Nein, du hast ja Recht. Hättest du mir
auch etwas netter sagen können.“ „Hätte ich...“, sagte Josef und lächelte,
dann sagte er weiter. „Sie sagen doch immer ‚das muss man deutlich sagen, damit
es auch ankommt‘, nicht wahr Capo?“ „Wir kennen uns schon zu lange. Aber,
das ist auch gut so.“ „Ich bin sehr froh, dass du bei mir
bist.“ „Warum bist du froh, dass Josef da
ist?“, fragte Nicola. „Weil er immer so lecker kocht und
sich um unser Wohl kümmert.“ „Mach du auch mal was richtig, dann
wirst du auch mal in ein paar Jahren gelobt.“
Rosenmontag, 11.27 Uhr Mark war an diesem Tag wieder
pünktlich an seinem Arbeitsplatz erschienen. Sehr zur Freude von seinem Arbeitskollegen
Thomas Mayer, der Mark vertrat, wenn dieser nicht da war. In der Qualitätssicherung
hatte es am Morgen genauso ausgesehen wie zwei Wochen zuvor. Kollege Mayer hatte
unauffällig Marks Arbeit erledigt. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt vor
seinem Büro als das Telefon klingelte. Er ging hinein und nahm den Hörer ab. „Fenster und Türen Müller,
Kirchheim, guten Tag.“ „Hallo Mark, ich bin es Janni.“ „Hallo Janni.“ „Du kennst doch Giuseppe?“ „Ja, dass ist doch der, der den 911
Turbo S fährt, oder?“ „Ja genau. Giuseppe möchte gerne
auch in der DTR fahren und möchte wissen, ob du ihm den M3 für diese Saison leihst?“ „Den M3 leihen? Öh... “ „Können wir heute Abend zu euch in
die Halle kommen?“ „Ja, könnt ihr. Aber darüber, ob
ich den M3 verleihe, muss ich erst mal nachdenken.“ „Na klar. Kommt ja auch ein
bisschen überraschend. Ab wann bist du in der Halle?“ „So gegen 16:30 Uhr.“ „Okay, dann bis nachher“, sagte
Janni. „Okay, Janni.“ „Na, wie sieht es aus, sollen wir
was essen gehen?“, fragte er. „Ja, können wir machen. Wohin fahren
wir denn?“ „In das neue ´Il Mulino´? Das ´Casa
Sicilia´ ist geschlossen und unter anderem Namen wiedereröffnet worden.” „Aber Roberto ist nicht mehr da?“ „Nein, das sind neue Eigentümer.“ „Tja, schwer zu sagen, ob du das
machen sollst. Wenn er den M3 ganz lässt, wäre es ja wohl in Ordnung, denke
ich. Aber wenn nicht...“ sagte Uwe und machte eine Pause. „Eigentlich müsstest
du mit dem Giuseppe einen Vertrag machen, dass, wenn er den Wagen unreparierbar
zerstört, er den jetzigen Wert bezahlen muss.“ „Klingt vernünftig und was meinst
du, was soll ich nehmen?“ „Mmh, auch eine sehr gute Frage? Du
sagst, die sind nicht ganz arm.“ „Könnte man bei einem 11er Turbo S
wohl sagen.“ „Wie viele Rennen sind das noch
mal?“ „Zwanzig Rennen, also 10 Wochenenden,
immer zwei Rennen hintereinander am Sonntag, plus die beiden wertungslosen im
englischen Donington.“ „Also zweiundzwanzig“, fasste Uwe
zusammen, dachte nach und sagte: „Was meinst du zu 65.000 DM für die ganze
Saison?“ „Ui, das sind dann... äh ... über
den Daumen ca. 6000 pro Wochenende, mmh.“ „Zu wenig?“ „Nein, nicht zu wenig, ist das
nicht viel zu viel?“ „Was ist er denn jetzt noch wert?“ „60.000 DM habe ich bezahlt.“ „Ja, aber vor ein paar Jahren und
was würde er denn heute kosten, wenn du einen solchen kaufen wolltest?“ „Jetzt, wo BMW ausgestiegen ist,
würde ich mal schätzen, nicht unter 85.000 DM.“ „Okay, 85.000 DM und dann weiß man
noch nicht mal, ob der Wagen richtig läuft.“ „Ist richtig. Also müsste in dem
Vertag 100.000 DM stehen, wenn er ihn zu Schrott verarbeitet.“ „Ja, genau und er muss für alle
Reparaturen aufkommen.“ „Fragt sich, wo er ein Team
hernimmt?“ „Och, das kann ich mir schon
vorstellen.“ „Echt und wo?“ „Er wird dich fragen, ob ihr das
nicht machen könnt.“ „Nee, nee, ist klar. Dann schrauben
wir an zwei Wagen oder was?“ „Da gehe ich mal von aus. Ihr kennt
den M3 in und auswendig. Natürlich muss er auch dafür aufkommen.“ „Ach, du Schreck. Das wird dann
aber richtig teuer für ihn.“ „Tja, so ist das nun mal, wenn man
keine entsprechenden Leute hat und nichts selbst machen kann.“ „Du meinst das jetzt alles ernst,
oder?“ „Natürlich meine ich das Ernst.
Rufe nachher Michael und Frank an und spreche das mit den beiden durch.“ „Und mit Michaela, denn schließlich
verbringe ich dann noch mehr Zeit in der Halle, wenn sein Talent nicht so groß
ist.“ Beide mussten schmunzeln. „Also, wenn wir das machen und nur
wenn, dann muss ich mal schauen, wie ich den Vertrag schreibe. Na, vielleicht
kann Michaela da helfen.“ „Lass mal, ich habe heute nicht
viel zu tun. Ich setze mit Frau Engel einen Vertrags-Entwurf auf.“ „Wau, Klasse Uwe, danke schön.“ „Was ich dir noch nicht gesagt habe
ist, die internationalen Rennen wird es dieses Jahr nicht geben.“ „Oh, warum das denn nicht?“ „Die Verantwortlichen haben keine
vernünftigen Termine gefunden. Irgendwer konnte von den einzelnen Rennserien
nie.“ „Schade, na dann ist das halt so.“,
antwortete Uwe. Rosenmontag, 16.30 Uhr Mark saß in seinem kleinen Büro und
schrieb auf, was alles für Kosten in einer laufenden Saison mindestens anfallen
würden, ohne das zusätzliche, was noch kaputt gehen könnte. Zwischendurch
schaute er immer wieder auf die Uhr über den Halleneingang. Er fragte sich, wo
die beiden denn bleiben würden, da sie ja schließlich um halb fünf da sein wollten.
Er sagte zu sich – das fängt ja schon gut an, bevor es überhaupt begonnen hat –
und überlegte, was er danach noch tun könnte. Ein paar Minuten später hörte er
den Escort von Frank kommen. Ehe er sich versah stand dieser auch schon im
Eingang. „Was schreibst denn da?“, war die
Frage von ihm. „Hallo Frank, ich freue mich auch,
dich wiederzusehen.“ „Stimmt ja. Du warst ja zwei Wochen
im Urlaub, ist so gar nicht aufgefallen. Soll heißen, wir haben dich überhaupt
nicht vermisst“, antwortete er und grinste dabei. „Ja, das ist ja eine tolle
Begrüßung hier. Ich glaube, ich sollte wieder gehen.“ „Ach, wenne schon mal hier bist,
dann kannste ja auch bleiben.“ „Nee, ist das Klasse.“ „Mensch, komm her, lass dich drücken.
Aber jetzt mal im Ernst. Michael und ich haben schon gesagt, das war jetzt das
erste Mal, dass du weg warst, seit wir das hier zusammen machen.“ „Ja, stimmt. Haben Michaela und ich
auch schon gesagt.“ Beide nahmen sich in den Arm und drückten sich fest. „Hey, ich will auch gedrückt werden“, klang es
vom Eingangstor her. „Ach, da ist ja unser Michael“,
sagte Mark. „Schön, dass ihr zwei wieder da seid.
Mensch, was haben wir dich vermisst“, gestand Michael und seine Augen strahlten
dabei. „Ganz ehrlich, ich freue mich auch,
euch zu sehen.“ „Erzähl, wie war euer erster
Urlaub?“ „Super, Klasse. Mensch, gehen vierzehn
Tage vielleicht schnell rum. Die Bungalow-Anlage war toll. Morgens, mittags und
abends gab es Buffet. Wir haben die ersten neun Tage einige Ausflüge gemacht.
Die letzten sind wir dann am Ort geblieben und... wir haben...“ „Ihr habt was?“, fragte Michael. „Also, Michaela und ich... wir
haben uns verlobt.“ „Ja, super.“ „Das freut mich für
euch“, sagten beide. „Ach, da sind sie ja endlich“,
sagte Mark. „Wer ist da endlich?“, wollte
Michael wissen. „Janni und Giuseppe, die wollten
uns wegen des M3 sprechen. Dazu wollte ich euch eigentlich heute Nachmittag vom
Büro aus angerufen haben. Scheiße, habe ich hinterher vergessen.“ „Da ist der BMW ja“, sagte Giuseppe.
„Ja, seht ihn euch an“, sagte Mark.
„Janni hat mich heute Vormittag
angerufen und mir erzählt, dass Giuseppe den Wagen mieten möchte, um auch in
der DTR fahren zu können.“ „Mieten?“, fragte Frank ganz
erstaunt. „Ja“, sagte Janni „Denn verkaufen
möchtet ihr ihn ja nicht.“ „Wir schon, Mark aber nicht“,
berichtigte Michael die Äußerung von Janni. „Was hat ihr euch denn so
vorgestellt?“, wollte Mark wissen. „Lasst uns ins Büro setzen“, sagte
Mark. „Passen wir denn da alle fünf
rein?“, wollte Giuseppe wissen. „Da passen sogar sechs Leute rein“,
erwiderte Frank etwas konsterniert über die Frage. „Nachdem wir heute morgen
telefoniert haben habe ich bei der Organisation, sprich dem Verband angerufen,“
sagte Janni und sah dabei Mark an. „Denen habe ich erzählt, was wir vorhaben.
Da hat man uns den Vorschlag gemacht, wir sollten doch mit euch reden, ob wir
den Wagen nicht als zweites Fahrzeug vom Kirchheim-Team anmelden könnten.“ „Das wollte ich euch auch vorschlagen.“ „Ja?“ „Natürlich, weil das weniger als
die Hälfte kosten würde.“ „Woher weißt du das?“ „Na, weil ich die Anmeldungen mit
allem drum und dran seit Jahren mache.“ „Oh, daran habe ich jetzt gar nicht
gedacht, und?“ „Ja, geht. Hätte es zwar noch nie gegeben,
wäre aber okay.“ „Gut, dann müssen wir uns nur noch
über den Preis einigen.“ „Und wie sieht es mit Vorbereitung,
Reparaturen, Wartung und so weiter aus?“ „Die Frage habe ich schon erwartet.
Das können wir...“ „Halt, stopp mal“, rief Frank
dazwischen. „Ihr glaubt doch wohl nicht, dass wir für euch die Karre nach jedem
Rennen zerlegen und dann auch noch unseren Daimler machen, oder was?“ „Nee... dat könnt ihr knicken, aber
komplett. Dat wird nix, nicht mit mir. Dann kann ich ja direkt hier in die
Halle ziehen.“ „Das ist überhaupt eine gute Idee,
die hättest du auch eher haben können“, meinte Michael. „Ja, sagt mal, haben sie euch heute
schon in den Arsch getreten?“, fragte Frank in die Runde. „Giuseppe, du hast doch bestimmt
noch ein oder zwei andere Freunde, die dir hier helfen würden?“ „Freunde? Nein, nicht welche so wir
ihr es seid, die Mark unterstützen“, sagte er verlegen und wurde auch etwas rot
dabei. „Aber ich hatte mir so was schon
gedacht, daher habe ich meinen Cousin Giovanni und meine Cousine Francesca
gefragt. Er würde auf jeden Fall helfen, bei Francesca weiß ich es noch nicht.“
„Also, ich wäre bereit, euch zu unterstützten,
wenn ihr unter meiner Anleitung nicht mehr weiterkommt. Du Giuseppe, solltest
auf jeden Fall noch einen weiteren Helfer haben. Kann auch deine Cousine sein,
wenn sie sich nicht wie ein typisches Mädchen verhält, okay?“, sagte Frank. „Ja, okay“, antwortete Giuseppe. „Besser wäre es, wenn du einen
Mechaniker hättest, der Ahnung von der Materie hat.“ „Mmh?“ „Spreche doch mal mit deiner Familie,
vielleicht weiß die ja jemanden.“ „Okay, was hast du dir vorgestellt,
wie hoch soll die Miete sein?“, fragte Giuseppe und sah dabei wieder Mark an. „Ich habe heute Mittag mit Uwe
darüber gesprochen. Was sagst du zu 65.000 DM für die ganze Saison. Das sind
inklusive Donington dann zweiundzwanzig Rennen. Wir würden einen Vertrag
machen, dass wenn du den M3 zu Schrott verarbeitest, ich dann 100.000 DM von
dir bekomme. Was sagst du?“ „Das klinkt fair, Giuseppe“, sagte
Janni. „Es kommen natürlich noch die
laufenden Kosten plus entstandene Schäden und alle Reparaturen hinzu“, sagte
Mark weiter. „Ist klar.“ „Ich habe mich vorhin mal
hingesetzt und alle laufenden Kosten der letzten Saison aufgeschrieben, die
mindestens anfallen werden, ohne das was zusätzlich noch kaputtgehen wird.“ „Hui, das ist ja noch einiges“,
sagte Giuseppe als er fertig war. „Und?“, fragte Mark. „Du möchtest bestimmt wissen, ob
ich immer noch möchte?“ „Jo, sowas in der Art. Ach und wo
wir noch gar nicht drüber gesprochen haben, du musst noch eine entsprechende Rennlizenz
machen.“ „Gibt es verschiedene?“ „Ja, die nationalen und
internationalen Rennlizenzen. Da die DTR auch im nahen Ausland fährt brauchst
du eine internationale. Vorher brauchst du auch noch ein ärztliches Attest.“ „Wo mache ich die Lizenz?“ „Am besten bei DMSB, steht für Deutschen
Motor Sport Bund. Zuerst die nationale Lizenz und danach die internationale
Rennlizenz. Ich gebe dir gleich ein paar Unterlagen. Du solltest dich aber
schnell dort melden. Denn schließlich haben wir schon Ende Februar und die letzten
Termine für Rennlizenzen sind meistens im März.“ Giuseppe sah wieder zu Janni rüber,
der sagte daraufhin: „Das kannst nur du entscheiden und deine Eltern. Bedenke,
dass du nicht mehr so viel Freizeit haben wirst wie jetzt.“ „Ja und es geht sehr viel Zeit
dabei drauf, vor allen Dingen, da du und dein Cousin nicht viel Ahnung habt“,
sagte Mark. „Und je mehr am Rennwochenende kaputt
geht, desto mehr bist du hier in der Halle“, gab auch Michael zu bedenken. „Jetzt mal was ganz anderes, wie
machen wir das denn, wo wir nur eine Hebebühne haben. Stellt euch vor, beide Wagen
müssen repariert werden. Was machen wir dann?“, fragte Frank. „Dann müssen wir noch eine kaufen.
Die könnten wir dann hier hinter dem Büro leicht schräg hinstellen“, meinte
Mark. „Und die Regale?“, wollte Frank
wissen. „Links vom Tor, wo jetzt der BMW
steht.“ „Das wird dann aber schön eng, denn
an den Transporter denkt ihr noch?“, fragte Frank nach. „Apropos Transporter, den brauchst
du auch oder hast du einen?“ „Nein, habe ich nicht.“ „Wir könnten aber einen Hänger
hinter den alten Transporter packen“, sagte Mark. „Ja, wir wären ja dann sowieso ein
Team“, sagte Michael schon freudig. „Dir gefällt der Gedanke schon,
was?“, wollte Frank von Michael wissen. „Ja, fände ich Klasse. Wir müssten
dann aber noch mit einem dritten Fahrzeug fahren.“ „Oh, stimmt. In die beiden Transporter
passen eigentlich nur jeweils drei von uns. Macht also sechs“, sagte Mark und
fing an aufzuzählen. „Wir sind dann Frank, Michael,
Peter, Moni, Michaela, wenn sie frei bekommt, du Giuseppe, dann Giovanni und
Francesca oder jemand anderes und ich. Also neun.“ „Bei uns ist Freitag ein alter
Trani reingekommen, den sollte ich mir ansehen, hat mein Chef gesagt, ob wir
den in Zahlung nehmen können. Der ist noch richtig gut. Ist von der Feuerwehr,
hat fast nix gelaufen.“ „Wo arbeitest du denn Frank?“,
wollte Giuseppe wissen. „Bei Ford Fischer in Essen.“ „Und was bitte ist ein Trani?“ „Das ist ein Ford Transit, kurz
Trani. Ungefähr so wie VW Bus und Bulli.“ „Das nimmt ja schon richtige Formen
an“, sagte Janni ganz erstaunt, fast mit einem etwas neidischen Ton. „Das beste wird sein, du schläfst
mal ein, zwei Nächte drüber und sagst uns dann Bescheid, ob du das machen
willst“, meinte Mark. „Das ist ein guter Vorschlag.“ „Du solltest dir das gut überlegen,
dass ist nichts, was man mal so einfach machen kann.“ sagten Michael und Frank.
Auch Janni meinte: „Lass dir das
durch den Kopf gehen, du musst dich ja nicht jetzt entscheiden.“ „Das musst du oder besser ihr drei
entscheiden“, antwortete sie. „Nö, das ist nicht nur unsere
Entscheidung, sondern auch deine. Wir zwei sind jetzt verlobt.“ Das freute sie und erwiderte: „Ich
habe nichts dagegen, denn mehr Hände sind immer besser. Der Giuseppe scheint
doch auch ein prima Kerl zu sein.“ „Okay, dann ist es nur noch seine
Entscheidung, ob wir das machen.“ 23. Februar 1993, Dienstag, 8.45 Uhr Die Familie Lombardi und ihr Gast Janni
Mascali saßen zusammen am Tisch im Speiseraum und frühstückten. Emilia brachte
noch vier Eier, was Janni eigentlich viel zu viel war. Er wusste nicht, dass
die Familie möglichst immer zusammen aß. Also nicht wie bei ihm Zuhause. So
einen reichhaltigen Frühstückstisch hatte er noch nie gesehen. Zumindest konnte
er sich an keinen erinnern. Eigentlich war das auch gar nicht typisch für
Italiener. Vielleicht lag das daran, dass Signore und Donna Lombardi schon sehr
lange im Ruhrgebiet lebten und Giuseppe auch in Duisburg geboren war. Er war
weiter in Gedanken vertieft als der Vater fragte: „Wie war es denn jetzt bei
diesem Mark? Ist das was für dich, Giuseppe?“ „Auf jeden Fall. Ich habe noch mal
drüber geschlafen und ich möchte das machen.“ „Das ist jetzt kein Auto, womit man
gewinnen wird. Aber für gute Platzierungen unter den ersten zehn müsste es gehen.
Kommt natürlich auch auf das fahrerische Können von Giuseppe an.“ „Ist mein Sohn bei den Leuten gut
aufgehoben?“ „Auf jeden Fall. Die fünf sind sehr
in Ordnung. Sind ab und zu etwas direkt und grob im Umgangston, aber man kann sich
auf sie verlassen.“ „Das direkte und geradeaus liegt am Ruhrgebiet. Die sind hier fast alle so. Finde ich aber besser als anders herum.“ „Was ist mit den Kosten, Vater?“,
fragte Giuseppe.
©2005 Schmitz-Sobaszek.de
|