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Taschenbuch:   ISBN: 9783752955033
eBook(ePub):   ISBN:
9783752955040
Seiten: 516

 

Inhaltsangabe:

Der Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke, Spitzname Lüppi, und sein Kollege Gerhard Schwarz werden zu einem ermordeten Arzt in einem Hotel gerufen. Bei der ersten Begutachtung stellt sich heraus, der Mediziner war Teilnehmer eines Ärztekongresses, der im Hotel stattfindet. Die beiden Kommissare fangen an sich das Umfeld des Toten anzusehen und ermitteln im Kreis der Kongress-Teilnehmer. Dabei stoßen beide auf die eine und andere Merkwürdigkeit. Die weiteren Ermittlungen halten für die Kommissare noch einige Überraschungen bereit.

 

Leseprobe:

5. Juni 1995, Montag, 7.20 Uhr
Essen Frohnhausen

Lüppi saß mit Marianne am Esstisch und sie tranken zusammen eine erste Tasse Kaffee. Das war in den vergangenen vier Wochen zu einem festen Ritual geworden, was sie unbedingt beibehalten wollten. Sie hatte ihm wieder eine Butterbrotstüte mit Herzchen fertig gemacht, die er mitnahm als beide um zwanzig vor acht aufbrachen. Nach vielen Küssen und Streicheleinheiten trennten sich die beiden nach über vier Wochen das erste Mal wieder, was beiden nicht leichtfiel. Sie sah ihm hinterher als er mit dem Mercedes die Kölner Straße entlangfuhr. Torti machte sich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle der Linie 109, um zum Büro der Schreinerei zu fahren. Ihr Chef Theo würde bestimmt schon ungeduldig auf sie warten, da waren sich beide sicher gewesen. Lüppi hatte sie gebeten, Theo einen schönen Gruß auszurichten. Sie hatte ihn angesehen und konnte nicht glauben, was sie gehört hatte. So etwas hatte er noch nie zu ihr gesagt. Sie sagte sich auf dem Weg immer wieder den gleichen Satz.

„Einen schönen Gruß ausrichten, ich kann es nicht glauben. So etwas sagt er sonst nie.“


Montag, 8.00 Uhr
Polizeipräsidium Essen

Auf dem Gang der Kriminalinspektion 1 ging ein Mann, den so noch niemand gesehen hatte. Ihn selbst kannte man dort seit vielen Jahren. Er war ‚bekannt‘ wie man früher sagte. Die blaue Jeans und die braunen Lederschuhe waren nichts Auffälliges. Das blaue Polohemd, was er trug, passte auch. Komisch war allerdings, er trug es über der Hose und nicht drinnen. Das war neu. Er blieb im Türrahmen des gemeinsamen Büros stehen, was er sich mit Gördi teilte. Dieser war bereits da und saß mit einer Tasse Kaffee am Schreibtisch. Das Gördi erst einen Augenblick vorher einen Schluck Kaffee in den Mund genommen hatte war nicht gut, da er Lüppi in einem noch nie dagewesenen ‚Outfit‘ zu sehen bekam. Was dazu führte, dass er den Inhalt aus seinem Mund heraus prustete.

„Guten Morgen, lieber Gördi“, grüßte Lüppi.
Den Gruß hätte Gördi gerne erwidert, ging aber nicht in diesem Augenblick. Nachdem er sich den Mund abgeputzt hatte und Lüppi vor ihm am Schreibtisch stand, fragte Gördi: „Wie siehst du denn aus? Was ist denn mit dir passiert?“

„Wieso, was ist denn?“, fragte Lüppi scheinheilig.

„Du hast einen Bart und du trägst eine Baseballkappe?“, fragte Gördi noch immer überrascht.

„Ja, stimmt.“

„Ich dachte, du magst diese amerikanischen Dinge nicht?“

„Marianne hat gemeint, das würde gut aussehen.“

„Marianne? Wieso sagst du jetzt Marianne? Sonst hast du immer Torti, ihren Spitznamen, benutzt?“

„Das ist eine längere Geschichte.“

„Bleibt der Bart und die Baseballkappe jetzt?“, wollte Gördi wissen.

„Ja, schauen wir mal.“
Dann stand Gördi auf und wollte Lüppi die Hand geben, der nahm ihn aber in den Arm. Dieser wusste gar nicht, wie ihm geschah. Das hatte es auch noch nie gegeben, war er sich ziemlich sicher, soweit er sich erinnern konnte.

„Wo ist Peter?“, fragte Lüppi.

„Der hat heute einen Tag Urlaub“, antwortete Gördi.
Es vergingen 10 Minuten. Lüppi saß ebenfalls mit einer Tasse Kaffee am Schreibtisch als Kriminalrat Eckerhard Schuster ins Büro kam und wie elektrisiert stehenblieb. Er sah Lüppi an und staunte. Er verließ den Raum wieder und sah vom Gang aus auf das Schild zum Büro. Er las das Namensschild laut vor und kam wieder hinein. Eckerhard ging direkt auf Lüppi zu und blieb am Schreibtisch stehen als dieser aufgestanden war.

„Hallo Lüppi, schön dass du wieder da bist. Ich musste gerade erst einmal nachsehen, ob ich mich im Zimmer vertan habe“, sagte Eckerhard und grinste.

„Hallo Eckerhard, ich freue mich auch euch wiedersehen zu können“, antwortete Lüppi.
Eckerhard fasste Lüppi´s Bart an.

„Ja, aber ich weiß noch nicht ob der bleibt. Schauen wir mal“, sagte Lüppi bevor sein Gegenüber etwas sagen konnte.

„Wie kommt es?“, wollte Eckerhard wissen.

„Marianne gefällt es.“

„Und das da?“, fragte Eckerhard und zeigte auf die Baseballkappe.

„Das ist total schick. Das tragen coole Männer heute“, kam als Antwort.

„Wofür stehen die Buchstaben N und Y?“

„Das weiß ich nicht. Das sind einfach zwei Buchstaben“, antwortete Lüppi und wusste es wirklich nicht.

„Das steht für die New York Yankees und bevor ihr zwei jetzt fragt, das ist ein Baseball-Team“, sagte Gördi.

„Das war doch klar, dass es ein Baseball-Team sein muss, ist ja schließlich auch eine Baseballkappe“, erwiderte Eckerhard.

„Genau, denn wäre es ein Formel-Eins-Team würde die Kappe ja auch Formel-Eins-Kappe heißen“, entgegnet Gördi und verdrehte dabei die Augen.

„Gut, dass du wieder da bist. Dann muss ich ab jetzt nicht mehr auf unseren Gerhard aufpassen“, sagte Eckerhard.

„Gerhard? Duzt ihr zwei euch jetzt?“, fragte Lüppi.

„Ja, hat sich nicht vermeiden lassen, wenn man mit ihm zusammen ermittelt“, antwortete Eckerhard.

„Was habt ihr denn ermittelt?“

„Es ging um den Mordversuch an Wilfried Birnbaum, drüben“, antwortete Eckerhard und zeigte mit dem Finger in Richtung Gerichtsgebäude schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite, wobei er das dahinterliegende Gefängnis meinte.

„Ja, und?“

„Es war ein Mann aus Russland. Der lag mit Eberhard Lehmann auf einer Zelle. Der hatte nichts Besseres zu tun, als mit seiner Tat zu prahlen.“

„Und das hat euch Eberhard Lehmann dann erzählt, richtig?“, fragte Lüppi.

„Ja, stimmt.“

„Mann, da habt ihr zwei aber wirklich so richtig toll ermittelt. Klasse!“, sagte Lüppi mit einem ironischen Tonfall.

„Du sei lieber still, ich möchte dich nicht an deinen Fehler erinnern. Was macht eigentlich dein Kopf?“

„Alles gut. Funktioniert noch. Was macht der Fall?“, fragte Lüppi.

„Die Akte liegt vor dir auf dem Tisch. Du musst sie als Leitender Ermittler nur noch unterschreiben.“
Es klopfte am Türrahmen.
Staatsanwalt Marcel Pohlmeier stand dort und strahlte.

„Guten Morgen, ich habe dir etwas mitgebracht, mein Lieber. Das ist von uns dreien und Peter Kordes“, sagte Marcel und gab Lüppi ein Messingschild in dreieckiger Form. Lüppi nahm es entgegen und schaute drauf.

Kommissar Maddin Lüppi

Er bedankte sich bei den Dreien dafür und fragte sie, woher sie seinen alten Spitznamen wüssten. Eckerhard erzählte von dem Besuch von Theodor und Marianne am besagten Freitag. Als er fertig war fragte nun auch Marcel.

„Was hat es denn mit deinem neuen ‚Outfit‘ auf sich?“

„Meine Marianne findet den Bart schön und hat mich überredet diese Baseballkappe der New York Yankees zu tragen. Hauptsächlich wegen meiner Kopfwunde, aber ganz ehrlich, ich habe mich inzwischen so daran gewöhnt, dass ich sie vielleicht nicht mehr missen möchte.“

„Wow, du kennst die New York Yankees?“, fragte Marcel.
Lüppi antwortete nicht. Dafür lächelte er und fragte nach weiteren Details im vergangenen Fall Erik Metzer. Gördi und Eckerhard beantworteten ihm die letzten offenen Fragen.

„Also! Es ist alles geklärt, die Anklage läuft. Du kannst jetzt deinen berühmten Satz auf die Akte schreiben“, sagte Marcel.
Lüppi sah seine drei Kollegen an. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, schlug die Akte auf und schaute, ob auch alles darin war. Auch die zwei DIN A2 Blätter waren gefaltet abgeheftet worden. Lüppi schloss die Akte, nahm einen Kugelschreiber und schrieb unten auf den Pappdeckel. Als er fertig war, unterschrieb er noch darunter.

„Was haste denn jetzt geschrieben?“, fragte Marcel neugierig.
Lüppi hielt ihm die Akte hin. Alle drei sahen darauf.

(Satz gelöscht, da sonst das Ermittlungsergebnis von Band 1 verraten wird. Autor: M. Schmitz)
M. Lüpke

„Schön, dann kann ich das ja gleich den anderen Staatsanwälten erzählen, die fragen nämlich schon, was du dieses Mal als Fazit notiert hast“, sagte Marcel.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst?“, fragte Lüppi.

„Doch natürlich. Der Staatsanwalt Grunert sammelt sogar deine Fazits.“

„Bitte, was?“

„Ja, der lässt sich alle fotografieren und bewahrt diese in einer Kiste in seinem Büro auf.“

„Das ist jetzt nicht wahr? Du verarscht mich doch“, sagte Lüppi.

„Nein, ich verarsche dich nicht. Der hat sogar fünf Fazits als Fotos im Rahmen an seiner Wand hängen. Er sagt immer, das wären deine Besten und ich bin mir sicher, dieser kommt auch an die Wand“, sagte Marcel.
Nicht nur Lüppi war von dieser Nachricht überrascht.

„Aber, erzähle doch einmal, wie war euer erster Urlaub?“, fragte Marcel.

„Wir waren am und auf dem Chiemsee und haben das Schloss von König Ludwig gesehen. Waren im ganzen Berchtesgadener Land unterwegs. Zu Fuß und mit dem Auto. In Berchtesgaden, in Bad Reichenhall und in Salzburg. Die Stadt ist übrigens sehr schön. Wir sind auf dem Königssee gefahren und waren abends immer in einem ‚Stüberl‘ zum Abendessen. Es war ein wunderschöner Urlaub“, antwortete Lüppi.

„Das hört sich doch super an“, sagte Gördi.

„Die Einladung zu unserer Hochzeit habt ihr drei bekommen?“, fragte Lüppi.

„Ja, haben wir und wir kommen natürlich auch alle. Wisst ihr denn schon, wohin die Hochzeitsreise gehen soll?“, fragte Eckerhard.

„Hochzeitsreise? Nö, haben wir uns nicht drüber unterhalten. Keine Ahnung“, sagte Lüppi.
Das Telefon von Gördi klingelte. Er ging zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab.

„Kriminalkommissar Gerhard Schwarz. Guten Morgen.“
Der Anrufer sagte einiges, Gördi nickte, die drei anderen sahen zu ihm.

„Ja, das richte ich Kommissar Lüppi aus. Wir kommen!“, sagte Gördi.
Alle sahen ihn fragend an.

„Lüppi, wir haben einen neuen Fall. Ein Toter im Hotel Amadeus.“
Lüppi stand auf und zuckte mit seinem Schultern, als wenn er sagen wollte, er wäre lieber im Büro geblieben.

„Der Streifenkollege hat gesagt, wir sollen uns auf was gefasst machen. So etwas kennt er nur aus dem Fernsehen“, sagte Gördi.
Lüppi sah ihn an, danach Eckerhard und Marcel. Er atmete etwas tiefer durch und ging an seinen Schrank. Dort holte er einen
neuen karierten Block heraus und steckte ihn ein. Danach verließen beide wortlos das Büro. Eckerhard und Marcel blieben zurück.

 

Montag, 9.50 Uhr
Essen, Hotel Amadeus

Der dunkelblaue, dreizehn Jahre alte Mercedes 230E von Lüppi hielt direkt vor dem Hotelportal an. Er sah zwei Streifenwagen, die etwas abseits vom Hoteleingang standen. Ein Hotelangestellter kam heraus und wollte wissen, wer die Herrschaften wären und ob sie Gepäck hätten.

„Guten Morgen. Kriminalpolizei“, sagte Lüppi und ging an dem Mann vorbei.
Gördi sah den Angestellten an und folgte seinem Kollegen. Mitten im Foyer stand einer der Streifenpolizisten, die als erstes eingetroffen waren. Er sprach Lüppi an.

„Guten Morgen, Lüppi. Der Tote ist im 3. Stock. Die Kollegen sind oben. Zimmernummer 323“, sagte dieser, dabei zeigte er auf eine der beiden Fahrstühle.

„In Ordnung, danke“, antwortete er und sah sich um, dabei bemerkte er, wie sich die Nachricht von einem Toten bereits verbreitete. Überall wurde leise getuschelt. Er ging zu der Mitte der beiden Aufzüge und drückte auf die entsprechende Taste. Die Etagenanzeige des rechten Aufzugs stand auf der ‚3‘. Er sah zum linken. Dieser war im sechsten Stockwerk, also ganz oben. Es dauerte eine Weile bis der rechte kam. Beide stiegen ein und im dritten Stockwerk wieder aus. Vom Fahrstuhl aus war ein langer Gang zu sehen, der anscheinend bis ans andere Ende des Gebäudes reichte. Richtig sehen konnte er das nicht. Dort schien Tageslicht hereinzufallen. Es standen zu viele Leute im Gang und zwei Kollegen von der Streife hatten genug zu tun die Hotelgäste von einem Blick in das Zimmer abzuhalten. Das Zimmer 323 befand sich in der Mitte des Ganges.

„Darf ich mal bitte, hier ist die Kriminalpolizei. Darf ich mal bitte. Gehen Sie bitte zur Seite. Danke! Kriminalpolizei“, sagte Lüppi mehrfach und schob die Herrschaften bei Seite.
Zwei Männer im gleichen Alter wie er selbst diskutierten mit den Streifenkollegen.

„Jetzt lassen Sie uns endlich durch. Wir sind Ärzte und können helfen“, sagte der Linke.

„Nein und da können Sie nicht mehr helfen“, sagte einer der Polizeibeamten.

„Das können Sie doch nicht beurteilen. Also treten Sie endlich zur Seite“, sagte nun der Rechte der beiden Männer.

„Kriminalpolizei! Treten Sie mal lieber zur Seite und hören auf das, was unsere Kollegen Ihnen sagen“, bemerkte Lüppi recht laut.
Widererwartend taten die Herren das und ließen auch Gördi durch. Die nächste rechte Zimmertür stand auf. Lüppi blieb davorstehen und sah hinein. Links von der Zimmertür lag eine braune Ledermappe auf dem Boden. Er sah sie kurz und bemerkte, dass er drei Kollegen gesehen hatte, wo war der vierte, fragte er sich.

„Die Rechtsmedizin ist verständigt und wir haben auch um weitere Kollegen gebeten“, sagt einer der Streifenpolizisten und hielt ihm eine weiße Folienrolle entgegen.
Lüppi nahm diese und nickte den beiden zu. Er bückte sich und zog die weißen Überschuhe über seine Schuhe. An der Klinke der offenen Zimmertür hing ein Schild mit ‚Bitte nicht stören‘. Sehr langsam betrat er den vorderen Bereich des Zimmers. Es handelte sich dabei um eine Art Diele mit Garderobe und Kofferablage. Rechts war das Fensterlose Badezimmer. Auch diese Tür stand auf und das Licht war eingeschaltet. Links konnte er das Waschbecken sehen. Er bemerkte dort nichts Auffälliges. Vier weitere Schritte konnte Lüppi rechts um die Ecke schauen, auf das dortige Doppelbett. Ein Mann lag auf der rechten Bettseite. Das Oberbett war ein Stück zurückgeschlagen und eine große Menge Blut war darauf, ebenso auf dem Körper des Mannes und dem Bettlaken verteilt. Auch am Bettgestell war das Blut hinunter auf den Boden gelaufen. Das Gesicht des Mannes sah nicht anders aus. Auf dem Kopfende des Bettes, was aus Holz bestand, waren viele Blutspritzer verteilt. Der unbenutzte Teil des Bettes hatte auch etwas abbekommen. Lüppi blieb am Bettende stehen und sah sich den Mann genauer an. Das meiste Blut war aus der aufgeschnittenen linken Halsschlagader gespritzt und gelaufen. Der rechte Arm des Mannes lag auf der linken Bettseite. An ihm konnte Lüppi drei Schnittverletzungen sehen. Die linke Hand lag auf dem Brustkorb und der linke Arm wies viele Abwehrverletzungen auf. Lüppi fing an, diese zu zählen. Bei zwölf hörte er auf.

„Der Streifenkollege, der die Zentrale verständigt hat, hat leider nicht übertrieben“, sagte Lüppi mal wieder laut zu sich selbst.
Für Lüppi war es zwar nicht das erste Mal, dass er so etwas zu sehen bekam, aber ‚Gott sei Dank‘ kam das nicht ganz so häufig vor. Wann es das letzte Mal gewesen war schätzte er auf ungefähr neun oder zehn Jahre. Es klopfte an der Tür, Gördi stand dort.

„Und?“, fragte er.

„Bleib da, das ist nichts für dich, mein Lieber“, antwortete Lüppi.

„So schlimm?“

„Jo und noch schlimmer.“

„Wie kommst du dann damit klar?“, fragte Gördi.

„Geht schon. Wenn ich das nicht jeden Tag sehen muss“, antwortete Lüppi und sah zu ihm.
Es wurde laut auf dem Gang. Zwei männliche Stimmen waren deutlich zu hören. Lüppi sah ihn fragend an.

„Das sind die Kollegen. Die räumen jetzt die Etage.“, sagte Gördi und ergänzte. „Horst und Moris sind auch dabei.“
Lüppi nickte ihm zu. Er sah links neben dem Bett nach. Auf dem Nachtisch lag eine
Visitenkarte von Dr. Bachschneider. Die nahm Lüppi. Dort standen auch schwarze Pumps.

„Eine Frau war hier?“, fragte er sich selbst. „Komisch, das linke Bett ist doch nicht benutzt. Verstehe ich nicht.“

„Was versteht der Lüppi nicht?“, fragte Horst, der gerade an der Zimmertür angekommen war und in das Zimmer sah.

„Hier stehen Pumps und das linke Bett ist nicht benutzt worden“, antwortete Lüppi und sah zu Horst und Moris, die dabei waren sich ihre Schutzkleidung anzuziehen.

„Frau Doktor kommt auch jeden Augenblick. Wir haben sie schon gesehen“, sagte Moris.
Es verging eineinhalb Minuten bis Horst in das Zimmer kam, ganz in weißer Schutzbekleidung.

„Na, da hat aber jemand ganze Arbeit geleistet“, sagte Horst und schaute auf das Bett mit dem Toten.

„Gut, dann lass ich euch Zwei mal alleine“, sagte Lüppi und war im Begriff das Zimmer zu verlassen.

„Halt, stehenbleiben. Verlassen Sie bitte das Stockwerk wieder“, sagte Gördi laut in Richtung Aufzug.
Lüppi kam aus dem Zimmer und sah wie ein Mann im Anzug schnellen Schrittes auf beide zukam. Er zog sich
die weißen Überschuhe wieder aus.

„Ich bin Edward Harrison, der Hoteldirektor. Unser FOM hat mich kontaktiert, dass sich Police im Haus befindet. Was ist hier los und was soll der Auflauf?“

„Guten Morgen, ich bin Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke und der zuständige Kommissar“, sagte Lüppi und hielt den Mann mit der rechten Hand auf.

„Was ist hier los?“, fragte der Hoteldirektor noch einmal.

„Ein Toter im Zimmer 323, aber das wissen Sie bestimmt schon“, antwortete Lüppi.

„Shit und das bei uns.“

„Was ist ein FOM?“, fragte Gördi.

„Guter Mann, das ist doch klar, das ist der Front Office Manager“, antwortete der Hoteldirektor.

„Was soll das denn sein? Können Sie sich auch ganz normal ausdrücken ohne diese englischen Bezeichnungen?“, fragte Lüppi.

„Was sind Sie denn für welche? Zeigen Sie mir erst einmal Ihre Dienstausweise. So wie Sie rumlaufen sind Sie doch garantiert kein Inspector“, sagte der Hoteldirektor und schaute auf seine Kappe.
Beide zogen ihre Dienstausweise aus den Hosentaschen und hielten sie ihm hin. Nachdem er sich beide angesehen hatte, schaute er zu Lüppi. Der vierte Streifenpolizist kam den Gang entlang.

„Was soll die Yankee Baseballkappe?“, fragte der Hoteldirektor.
Lüppi sah ihn an, reagierte aber nicht. Dafür sprach aber der Streifenpolizist.

„Guten Morgen, Kollegen. Der Tote ist Dr. med. Justus Bachschneider aus Bottrop“, sagte er, sah dabei den Hoteldirektor an und ergänzte noch. „Das Basecap ist cool.“

„Was ist jetzt, bekomme ich eine Antwort?“, fragte der Hoteldirektor noch einmal.

„Wir drei gehen jetzt erst einmal in Ihr Büro“, sagte Lüppi mit einem sehr bestimmenden Tonfall.
Der
Streifenpolizist lächelte Lüppi an und Herr Harrison war leicht irritiert, wollte gerade etwas sagen als Lüppi fortfuhr.

„Na, los. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, guter Mann.“

„Hallo, was fällt Ihnen denn ein?“, fragte Edward Harrison.
Lüppi antwortete ihm nicht, dafür machte er eine Handbewegung in dessen Richtung, die im Allgemeinen als
‚husch, husch‘ bezeichnet wird. Der Hoteldirektor schüttelte seinen Kopf.

„Okay, dann gehen wir jetzt in mein Büro und ich rufe erst einmal Ihren Boss an. So geht das aber nicht“, sagte Edward Harrison und ging vor.
Alle drei fuhren mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. In dem Büro angekommen, bot er beiden die Stühle vor seinem Schreibtisch an. Als alle drei saßen, wollte er die Rufnummer von Lüppi´s
‚Boss‘, die er ihm gerne gab. Herr Harrison wählte die Nummer, es schellte.

Polizeipräsidium Essen, Kriminalrat Schuster am Apparat.“

Hotel Amadeus. Hier spricht der Hoteldirektor Edward Harrison. Guten Morgen, Herr Schuster.“

„Was kann ich für Sie tun?“

„Die Herren Lüpke und Schwarz sitzen mir gegenüber. Ich stelle mal auf laut“, sagte er und drückte auf die entsprechende Taste.
Dann fuhr er fort: „Sie müssen die Polizeibeamten zurückrufen. Das ganze Hotel ist voll. Was sollen denn unsere Gäste denken?“

„Haben Sie keine anderen Sorgen?“, fragte Eckerhard Schuster.

„Und können Sie mir bitte einmal verraten, was für zwei Hilfssheriffs Sie zu mir geschickt haben?“

„Haben Sie gerade die beiden Kommissare als Hilfssheriffs bezeichnet?“, fragte Eckerhard nach.

„Ja, so sieht der ältere der beiden zumindest aus. Eine Yankee Baseballkappe? Was ist aus der deutschen Polizei geworden?
Lüppi musste schmunzeln und Gördi glaubte nicht, was er gerade gehört hatte.

„Als erstes. Wie Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke aussieht und was er auf dem Kopf trägt kann Ihnen scheißegal sein. Zweitens sind das die besten Kommissare von ganz Essen. Drittens können Sie froh sein, dass ich nicht in Ihrer Nähe bin, sonst hätten Sie jetzt wirklich einen Grund sich zu beschweren. So einen unverschämten Anruf habe ich ja noch nie gehabt.“
Dann war nur noch tut, tut, tut zu hören. Eckerhard Schuster hatte einfach eingehängt. Der Hoteldirektor schaute nicht schlecht.

„So, jetzt hatten Sie ja Ihren Spaß und nun sind wir dran“, fing Lüppi an.

„Was haben Sie vorhin an ‚verlassen Sie bitte das Stockwerk wieder‘ nicht verstanden?“ fragte Gördi.
Auch jetzt schaute Herr Harrison nur, sagte aber nichts.

„Sie sprechen wohl nicht mehr mit uns?“, fragte Gördi nach.

„In Ordnung, bevor wir jetzt wieder gehen, wir brauchen von Ihnen eine komplette Gästeliste und eine komplette Liste aller Angestellten. Diese sollte darüber Aufschluss geben, wer die letzten vierundzwanzig Stunden hier gearbeitet hat. Danke und etwas zügig, wenn ich bitten darf“, sagte Lüppi.

„Was erlauben Sie sich denn?“, fragte Edward Harrison.

„Das kann ich Ihnen sagen. Sie zeigen mir jetzt erst einmal Ihren Personalausweis, bitte.“

„Was soll das denn?“

„AUSWEIS, aber zügig. Sonst komme ich gleich auf die Idee, dass Sie etwas zu verbergen haben und die Ermittlungen behindern wollen“, sagte Lüppi in einem bösen Ton.
Damit hatte der Hoteldirektor nicht gerechtet. Er zog eine Schublade auf und holte den Ausweis heraus. Den warf er auf den Schreibtisch. Lüppi nahm ihn und schaute sich ihn an.

„Sie sind englischer Staatsbürger?“, fragte er rhetorisch.

„Ja, steht doch da, oder?“

„Nicht frech werden. In einer halben Stunde bekommen wir die zwei Listen“, sagte Lüppi und stand auf.

„Ein gut gemeinter Rat von mir. Machen Sie, was er sagt und legen Sie sich nicht mit ihm an“, sagte Gördi und beide verließen das Büro ohne die Tür zu schließen.
Im
Foyer, bei den Aufzügen, standen inzwischen zwei weitere Polizisten, die dabei waren vier Reporter vor den Aufzügen und dem Treppenhaus aufzuhalten. Lüppi und Gördi warteten auf den nächsten Aufzug.

„Kommissar Lüpke, können Sie uns etwas sagen?“, rief einer der Reporter.

„Ja, kann ich. Wenden Sie sich bitte an die Pressestelle“, antwortete Lüppi.
Die Tür von dem linken Fahrstuhl ging auf und beide stiegen ein. In der dritten Etage wieder angekommen sahen sie, wie die drei Kollegen der Streifenpolizei mit einem Reporter und einem Pressefotografen zu tun hatten. Der Fotograf machte Fotos von den drei Kollegen, die sich darüber beschwerten.

„Es gibt in Deutschland Pressefreiheit. Wir machen auch nur unsere Arbeit. Kommt schon, nur ein paar Fotos von dem toten Arzt“, hörten beide den Reporter sagen.
Als beide bei den fünf angekommen waren, war der Fotograf im Begriff ein Foto von Lüppi machen zu wollen, wurde aber von dem Reporter abgehalten.

„Nein, kein Foto von Kommissar Lüppi. Der nagelt uns an die Wand und macht uns das Leben dann noch schwerer.“

„Ach, die Boulevardzeitung ‚Der Ruhrpott-Melder‘ ist auch schon wieder da“, sagte Lüppi zu dem Reporter.

„Tja, immer das Gleiche. Wir treffen uns immer an den Tatorten.“

„Sie zwei verlassen jetzt bitte das Stockwerk“, sagte Gördi.
Was beide nur sehr ungerne taten. Die Rechtsmedizinerin, Dr. med. Stefanie Schneider, war inzwischen bei Horst und Moris im Zimmer 323 und untersuchte den Toten. Lüppi zog seine weißen Überschuhe wieder an und ging ins Zimmer, während Gördi bei den drei Kollegen davor stehen blieb.

„Hallo, Stefanie“, sagte Lüppi zu der Rechtsmedizinerin.

„Guten Morgen, Lüppi“, kam als Antwort. „Ach übrigens, danke für die Einladung zu eurer Hochzeit. Ich komme natürlich gerne.“

„Das freut mich.“

„Stimmt, da war doch was. Rita und ich kommen natürlich auch“, sagte Horst Vollmer.

„Prima, damit haben wir gerechnet.“
Moris Veigel sah Lüppi zwar an, sagte aber nichts, was damit zu tun hatte, dass er keine bekommen hatte. Lüppi schaute zum Bett. Stefanie hatte das Oberbett auf die linke Seite geschlagen. Als er zu dem toten Arzt schaute, bemerkte er rote Druckstellen an den Beinen. Diese befanden sich unterhalb des Schritts und schienen einmal um jedes Bein herum zu gehen. Sonst sah er nichts Neues, was er nicht schon gesehen hatte.

„Die Schnitte an den Armen sind Abwehrverletzungen?“, fragte Lüppi in Richtung Stefanie.

„Ja, richtig. Der Tod ist vor ungefähr... jetzt haben wir fast elf Uhr... acht bis neun Stunden eingetreten, aber ich schau noch mal“, sagte sie.

„In Ordnung, also so um zwei bis drei Uhr, vorläufig“, sagte Lüppi und sah zu Gördi auf den Gang. „Gördi, wer hat den Toten denn eigentlich gefunden?“

„Ein Dr. Volker Rake aus Wülfrath“, sagte einer der Streifenpolizisten und schaute in das Zimmer hinein.

„Wo ist der jetzt?“

„Auf seinem Zimmer, Nummer 421. Der war total fertig. Ein anderer Arzt ist bei ihm“, antwortete der gleiche Streifenpolizist.

„Habe ich nur so das Gefühl oder sind hier ein bisschen viele Ärzte?“

„Das liegt an dem Ärztekongress hier im Haus“, antwortete der gleiche Streifenpolizist.

„Stefanie, kannst du uns sonst noch etwas sagen?“, fragte Lüppi.

„Nein, vielleicht nach der Obduktion“, antwortete sie.

„In Ordnung, dann gehen wir mal zu dem Dr. Rake hoch“, sagte Lüppi, verließ das Zimmer und zog sich die Überschuhe aus.

 

Montag, 11.10 Uhr
Essen, Hotel Amadeus

Wenig später waren beide im 4. Stockwerk. Gördi klopfte an die Zimmertür mit der Nummer 421. Ein Mann, Ende dreißig, öffnete die Tür.

„Ja, bitte?“, fragte er.

„Kriminalpolizei, sind Sie Dr. Volker Rake?“, fragte Gördi.

„Nein, ich bin Dr. Adel, Robert Adel. Dr. Rake liegt auf seinem Bett. Er steht unter Schock.“

„Wir müssten einmal mit ihm sprechen“, sagte Gördi.

„Kommen Sie herein“, rief Dr. Rake von innen aus dem Zimmer.
Beide traten ein.

„Guten Morgen. Ich bin Kriminalkommissar Gerhard Schwarz.“

„Und ich bin Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke, der leitende Kommissar“, sagte er und gab Gördi seinen karierten Block mit Bleistift.
Der schaute wieder einmal etwas verwundert, obwohl er das eigentlich schon kannte. Das tat er jedes Mal und machte dabei immer einen überraschten Eindruck. Lüppi kannte diese Reaktion seines jüngeren Kollegen und wusste, das würde auch irgendwann einmal aufhören. Er musste nur Geduld aufbringen, aber eigentlich fand er es amüsant. So kam es vor, dass er Gördi den Block nur gab, um mal wieder die bekannte Reaktion hervorzurufen.


 
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