Taschenbuch:
ISBN: 9783757540463
Inhaltsangabe: Der Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke, Spitzname Lüppi, und sein Team werden zu einem Toten in der Buchhaltung einer Baufirma gerufen. Schnell steht fest, der junge Mann ist nicht eines natürlichen Todes gestorben. Nur einen Tag später wird ein weiteres Opfer gefunden, beide starben auf die gleiche Weise. Beide kannten sich nicht und es scheint keine Verbindung zwischen ihnen zu geben. Noch merkwürdiger wird es, als eine Woche später, Opfer Nummer drei hinzukommt. Folgende Frage beschäftigt ab dann das Team, gibt es irgendeinen Zusammenhang zwischen den Todesfällen…
Leseprobe: 18.
September 1995, Montag, 10.10 Uhr Die zwei Urlauber,
Petra und Lüppi, waren zurück in der KK11 und waren von den Kolleginnen und Kollegen
nach deren Urlaub gefragt worden. Auch ihnen war die Kurzfassung von Petra erzählt
worden. Lüppi hatte sich zwischendurch die angesammelten Akten der vergangenen
Fälle flüchtig angesehen. Als Ruhe eingekehrt war erkundigte er sich, wo denn der
Björn wäre. „Der kommt heute
Morgen später. Der hatte einen Wochenendeinsatz“, teilte Heike mit. „Was für einen Wochenendeinsatz?“,
fragte Lüppi und es betraten die Herren Kriminalrat Eckerhard Schuster
und „Uns wurde eine Frauenleiche in Essen Freisenbruch, im Spervogelweg Nr.
10, gemeldet“, fing Gördi mit dem Bericht an. „Die Evelyn Peterschal war die
Tochter von Hannelore Benning und wollte von ihrer toten Mutter den Keller
ausräumen und sich als erstes umsehen. „Und ist an dem Zyankali nach wenigen
Sekunden bewusstlos geworden und nach wenigen Minuten an Herzstillstand gestorben.
Richtig?“ „Stimmt. Kennst du die Wirkung von Zyankali
oder hattest du schon mal einen Fall damit?“, fragte Heike nach. „Ja, vor vielen, vielen Jahren ist schon einmal eine
Schachtel Zigaretten
der Marke ‚Fräulein‘ aufgetaucht“, sagte Lüppi und sah dabei zu Eckerhard.
„Du müsstest dich doch noch daran erinnern, Eckerhard, denn
schließlich war es dein Fall. Ihr müsst nämlich wissen, unser Eckerhard war
nicht immer Kriminalrat, nicht wahr?“ „Mist, deshalb kam mir die Marke so bekannt vor“, sagte
Eckerhard. „Na, Klasse! Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, sagte Gördi. „Das muss ich jetzt aber auch sagen, Herr Schuster!“, meinte
Kriminaldirektor Lothar Bäumler. „Weißt du auch wie das Cyankalium Blausaures Kalium, sprich Zyankali,
noch genannt wird?“, wollte Heike von Lüppi wissen. „Ja, Kaliumcyanid ist auch gebräuchlich“, sagte Lüppi. „Herr Lüpke“, sagte Herr Bäumler im Scherz. „Ihr Urlaub ist ab
sofort auf Lebenszeit gestrichen. Sie fahren ab jetzt nie wieder in den Urlaub,
das kann ich gar nicht verantworten.“ „Dann muss ich kündigen“, war die Antwort von Lüppi. „Okay, dann sprechen wir noch mal über Ihre Urlaubstage.“ „Sprechen können wir immer…“, sagte Lüppi in einem gewissen
Tonfall. „Apropos sprechen, Frau Buhrmann und Herr Schwarz haben doch
bestimmt schon erzählt, dass wir von Ihrem Urlaubseinsatz gehört haben, nicht
wahr?“, fragte Herr Bäumler. „Ja, Heike und Gördi sprachen bereits davon… was möchten Sie
wissen?“ „Ihre Frau hat einen der Bosse der Genua Organisation
erschossen?“ „Stimmt, mit einer langen
Ausführung der Beretta 92. War aber eher zum Selbstschutz.“ „Erzählen Sie doch
mal bitte mit Ihren Worten.“ „Wir waren bei dem Leitenden
Hauptkommissar Marco Morelli, um mit ihm die Identität von Annette Lange
zu überprüfen. Was wir auch getan haben, währenddessen kam Santino Martinelli, der Oberleutnant
der Carabinieri, bei ihm zu Besuch für einen
gemeinsamen Einsatz. Santino hat schnell verstanden, wer wir waren.“ „Wer
bitte ist wir?“, fragte Herr Bäumler. „Na,
wir vier“, antwortete Lüppi wie selbstverständlich. „Ah,
da war Ihre Frau schon mit dabei?“ „Na,
klar doch. Wir hatten ja alle zusammen Urlaub, daher war sie, die ‚Sonderermittlerin‘
der KK11 mit.“ „Okay und weiter…“, bat er. „Wir sind dann schnell mit Santino ins Gespräch gekommen und
haben uns auch über die sizilianische Organisation ausgetauscht“, sagte Lüppi
und berichtete mit Petra ziemlich detailliert über den Ermittlungsurlaub. „Schön, dass sie beide wieder da sind und Herr Schuster, Sie
kommen um 12 Uhr mal bitte zu mir.“ „Einen Fiat 131 Supermirafiori in Blau Metallic. Den behalte
ich aber nicht, den übernehmen Petra und Mario.“ „Einen blauen Fiat 131 Mirafiori hatte ich früher auch mal,
nur keinen Supermirafiori“, sagte Eckerhard und überlegte. „Vor dem Präsidium“, sagte Lüppi. „Die schenke ich dir, Eckerhard. Du bist doch ein ganz
großer Italien Fan“, sagte Lüppi. „Echt, danke schön“, antwortete er, freute sich sichtlich
und setzte sie sofort auf. „Sie steht dir“, war die Antwort. „Ich muss zu Marcel. Hier ist
der Schlüssel vom Auto, gib ihn gleich Petra.“ „Mache ich, schaue mir noch den Wagen etwas an.“ Dann war Ruhe… Oben im Büro hatten die drei die acht Schüsse gehört, wie auch
alle anderen im Polizeipräsidium. „Scheiße!“, schrie Petra auf und ahnte, was passiert sein
musste. „Halt, Petra! Bleib hier, ich glaube es hat Lüppi erwischt!“ „NEIN, mein Papa…!“, schrie sie und wollte trotzdem an ihm
vorbei. „Wer ist denn draußen bei ihm?“ „Weiß nicht… irgendjemand hat zurückgeschossen…“ „Das ist jetzt nicht dein Ernst? Gib mir mal deine Waffe…
na, los!“ „Wo ist Petra?“, fragte Gördi den wachhabenden Kollegen. „Vor der Tür.“ „Wer ist bei ihr?“ „Sie hat… hat meine Waffe…“ „WER IST BEI IHR, HABE ICH GEFRAGT!“, schrie Gördi ihn an. „Keiner… ich muss doch… hier…“, weiter sprach er nicht. „Ja, tickst du Armleuchter noch ganz sauber?“, fragte Heike
ihn. „Scheiße, nein!“, schrie sie auf und sah, wer dort lag. „Björn, wo ist Lüppi?“ „Ich bin hier, Petra“, sagte seine Stimme hinter ihr. „Wie geht es ihm?“, fragte er seine Tochter. „Ich weiß nicht… ich habe nach dir gesucht“, kam ihre
Antwort. „Schnell einen RTW!“, rief Lüppi. „Schnell!“ „Wir dachten, es hätte dich getroffen…“, sagte Gördi und sah
zwischen den beiden Wagen auf den am Boden liegenden und erschrak als er sah, wer
da lag. „Ach, du Scheiße!“ „Oh, nein, das darf nicht wahr sein!“, rief sie. Es dauerte nur vier Minuten bis vom Uni-Klinikum ein
Rettungswagen ankam. Der Notarzt und der Sanitäter kümmerten sich sofort um
ihn. Sie konnten nur noch den Tod von Eckerhard Schuster feststellen. Der Kriminalrat
von der Kriminalinspektion 1 war von zwei Kugeln tödlich im Oberkörper
getroffen worden. „Es tut mir leid“, sagte der Notarzt. „Wir können ihm nicht mehr
helfen.“ „Die… Kugeln… waren… für… mich… bestimmt“, stammelte Lüppi. „Wie geht es dir?“, erkundigte sich Gördi. „Er… ist… tot“, sagte Lüppi. „Was… sage… ich… denn nur… Anneliese…?
Scheiße… die scheiß Kappe, diese verdammte scheiß Kappe! Ich habe ihn mit der
Kappe umgebracht! Scheiße, verdammt noch mal. Was mache ich den jetzt nur?“ Herr Bäumler sagte zu ihm. „Herr Lüpke, wir sollten zu Frau Schuster fahren und sie über
den Tod ihres Mannes informieren.“ „Oh, Mist…, Anneliese… oh, nein.“ „Sind Sie in der Lage mir zu erzählen was genau passiert ist?“,
fragte Herr Bäumler während der Fahrt. „Ich sollte zu Marcel kommen. Eckerhard hat mich gefragt, ob
er mal den Fiat sehen könnte. Ich habe ja gesagt und wir sind gemeinsam runter.
Er hatte früher auch einen 131er. Ich habe den Wagen aufgeschlossen und er hat
sich hineingesetzt.“ „Aus Siena hatte ich eine Baseballkappe mit der italienischen
Aufschrift ‚io
amo l'Italia‘ auf dem Armaturenbrett liegen. Eckerhard und Anneliese
sind ganz große Italien-Fans… ich habe ihm die Kappe nur deshalb geschenkt…“,
ein weitersprechen war nicht möglich. Im schossen die Tränen in die Augen. „Sie sind nicht schuld. Sie haben nicht geschossen.“ „Nein, ich habe auf die zwei im BMW geschossen.“ „Sie haben da was genau mitbekommen?“ „Ich war auf dem Weg über die Straße. Ich stand an der Ampel
auf der ersten Verkehrsinsel von den fünf Stück. Ich habe die drei Schüsse
gehört, mich umgedreht und habe Eckerhard noch fallen gesehen. Björn war einige
Meter von der Hausecke des Präsidiums entfernt und hat sofort seine Waffe gezogen
und zwei Mal abgedrückt. Ich habe dann auch geschossen. Zwei oder drei Mal, ich
weiß es nicht mehr genau. Dann fuhr der Wagen auch schon auf die große
Verkehrsinsel gegen den Baum. Ich stand dann da und konnte mich nicht bewegen. Es
ging einfach nicht. Ich wollte, aber meine Beine wollten nicht. Wie festgenagelt
stand ich da, ich verstehe es bis jetzt nicht, so etwas hatte ich noch nie. Wenn
andere das schon mal erzählt haben, ihnen wäre es so ergangen, habe ich das
immer für Schwachsinn gehalten. Das ging ein bis zwei Minuten. Dann bin ich zurück
zu Eckerhard und als ich fast da war, hat Petra meinen Namen gerufen, da war
ich dann bei ihr.“ „Als Sie oder der Herr Klein geschossen haben, war da
Verkehr auf der Straße?“ „Nein, es fuhr kein Auto, nur der BMW. Eigentlich merkwürdig,
wenn man sich überlegt, wieviel Verkehr sonst dort ist.“ „Dann sage ich das jetzt mal mit Ihren Worten, alles in
Ordnung.“ „Nein! Bitte nicht mein Ecki. Bitte sagt…, dass es… jetzt
nicht das ist, was ich glaube.“ „Es tut uns sehr leid, Frau Schuster“, sagte Herr Bäumler. „NEIN!“ Montag, 14.11 Uhr Lüppi war zurück im
Büro. Als er kam blieb er im Türrahmen stehen und sah sich um. Petra stand vom
Schreibtisch auf, ging auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Sie sagte ihm, wie froh
sie sei, dass es ihm gutgehen würde. Auch die drei anderen sagten es ihm, wobei
Heike und Gördi ihn auch in den Arm nahmen. Lüppi setzte sich anschließend an seinen
Schreibtisch. Björn kam auf ihn zu, er nahm sich einen Stuhl und setzte sich
schräg an Lüppi´s Schreibtisch zu ihm. Björn sprach nun zum ersten Mal über das,
was beide erlebt hatten. „Weißt du, wen oder
was du getroffen hast, einen oder beide?“, fragte Björn. „Nein, ich weiß gar nichts. Ich weiß ja noch nicht einmal ob
ich zwei oder drei Mal geschossen habe“, antwortete Lüppi. „Es war drei Mal“, sagte Björn ihm. „Frau Dr. Schneider, die
Rechtsmedizinerin, untersucht als erstes den Eckerhard.“ „Das ist gut. Weißt du denn, ob du getroffen hast?“ „Ich glaube den Fahrer erwischt zu haben. Eigentlich sollte
es der Schütze auf der Beifahrerseite sein.“ „Das ist bei beweglichen Zielen nicht ganz einfach, aber das
weißt du ja.“ „Bekommen wir jetzt viel Ärger?“, wollte Björn wissen. „Glaube ich nicht. Unsere beiden Schusswaffen sind bei Horst,
darf ich annehmen?“, fragte Lüppi. „Ja, sind sie.“ „War es für dich das erste Mal, im Dienst die Dienstwaffe
eingesetzt zu haben?“ „Ja, sonst habe ich nur auf dem Schießstand geschossen.“ „Weißt du zufällig wie weit die mit der Untersuchung sind?“,
fragte Lüppi nach. „Die Sicherstellung und die Dokumentation des Tatortes und der
Beweismittel ist abgeschlossen. Die Vernehmung der beteiligten Kollegen läuft noch,
glaube ich.“ „In Ordnung“, kam mal wieder nur. „Merkwürdigerweise sind fast gar keine Zeugen gefunden worden.
Es waren nur drei. Ein Ehepaar und ein einzelner Mann. Die anderen sind anscheinend
alle weggelaufen, als die Schüsse fielen. Wie geht es jetzt weiter?“ „Alles wird an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die
prüfen, ob ein Strafverfahren gegen uns oder die Kollegen eingeleitet wird oder
nicht“, informierte Lüppi ihn. „Das ist der normale Ablauf, das ist immer nach dem
Benutzen der Dienstwaffe der Fall.“ „Haben wir jetzt Innendienst?“ „In der Regel sind die Kollegen, die es bisher betroffen hat,
nach solchen Vorfällen einige Zeit krank. Meistens mindestens bis klar ist, ob
der Schusswaffengebrauch rechtmäßig war oder ein Strafverfahren eingeleitet
wird. Es wird sofort nach dem Vorfall eine psychologische Betreuung angeboten.
Hat man dir das angeboten?“, erkundigte sich Lüppi. „Nein, bis jetzt nicht.“ „In Ordnung, dann kümmere ich mich gleich darum. Diese psychologische Betreuung ist Polizeiintern, wie du sicherlich
weißt. Innendienst hat oder wird nur stattfinden, wenn wir oder die Kollegen genesen
sind, aber nach Meinung des behandelnden Arztes und des Polizeiarztes die Außendienstfähigkeit
nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist. Das kann auch dauerhaft der Fall sein
und es kann auch sein, dass unsere Behörde uns oder den betreffenden Beamten
dauerhaft in eine andere Tätigkeit umsetzt bzw. versetzt. Dies geschieht immer
dann, wenn ein Kollege mit den Folgen des Schusswaffengebrauchs nicht klarkommt. „Oh Mann, oh Mann“, ließ Björn von sich hören. „Es wird wahrscheinlich nicht das letzte Mal bei dir gewesen
sein“, prophezeite Lüppi. „Ist im Nachhinein ein komisches Gefühl, einen Menschen
erschossen zu haben.“ „Ich weiß, wie du
dich jetzt fühlst.“ „Wie häufig war es bis
jetzt bei dir der Fall?“ „Zehnmal insgesamt.“ „Hast du dabei auch jemanden
erschossen, den du gar nicht töten wolltest?“ „Leider ja, insgesamt
sechsmal, im Laufe der Jahre.“ „Sechs bei zehn
Vorfällen?“ „Ja, plus vierzehn Verletzte.“ „Nein, bis jetzt brauche ich keine psychologische Betreuung.
Sollte ich morgen früh Probleme haben, melde ich mich.“ „Mit dem Tod der Täter habe ich kein Problem, sondern mit dem
Tod von unserem Eckerhard Schuster. Ich verspreche dir, ich melde mich morgen auf
alle Fälle bei dir. Versprochen.“ „Es kommt jemand von der psychologischen Betreuung in der
nächsten halben Stunde auf dich zu.“ „Kriminaloberkommissar
Gerhard Schwarz, guten Tag.“ „Ich bin es“, sagte der wachhabende Polizist aus der Wache
von unten. „Ein Notarzt hat sich gemeldet. Er hat bei der Firma UWG-Bau den Tod
eines Büroangestellten festgestellt. Ein natürlicher Tod kommt ihm bei einem durchtrainierten
32-jährigen Mann sehr merkwürdig vor. Es müsste einer von euch dorthin?“ „Wir kommen, kannst bitte dem Notarzt sagen, er möge vor Ort
bleiben oder Kontaktdaten hinterlassen“, antwortete Gördi. „Wir haben einen Toten, ein Verdachtsfall. Heike und ich
fahren zur Firma UWG-Bau.“ „Petra“, sagte Lüppi. „Fahr bitte mit.“ Montag, 15.05 Uhr Die drei waren am
Verwaltungsgebäude angekommen und von einem Streifenkollegen in die 1. Etage geführt
worden. Horst Vollmer und Moris
Veigel von der KTU waren kurz vorher gekommen.
Sie waren gerade dabei sich ihre Schutzkleidung anzuziehen. „Hallo, ihr drei“, sagte Horst und fragte als sie noch ein
paar Meter von ihm entfernt waren. „Sie halten sich beide wacker“, entgegnete Gördi. „Was gibt es denn hier?“, fragte Heike als sie auch an der
Bürotür ankamen, vor der Horst und Moris standen. „Einen toten Mitarbeiter aus der Buchhaltung“, informierte
Moris die drei. „Wisst ihr schon wie er heißt?“ „Sebastian Dressler, 34 Jahre. Auf
den Rest müsst ihr noch warten“, antwortete er und betrat nach Horst das „Wer hat den Herrn Dressler gefunden?“ „Seine Kollegin, Frau Schroeder.
Sie sitzt auch in diesem Raum.“ „Wo ist sie jetzt?“ „Unten in einem Büro, hinter dem
Empfang. Der Herr am Empfang weiß wo sie ist“, teilte der Streifenkollege mit. „Wo ist denn der Notarzt?“ „Der hatte einen weiteren Einsatz
und ist daher schon wieder weg. Ich habe aber seine Nummer“, teilte der
Streifenkollege mit und hielt ihm eine Visitenkarte hin. „Petra, dann lass uns mal
runtergehen. Heike kann ja hierbleiben und die beiden im Auge behalten“, frotzelte
er und meinte Horst und Moris damit. „Frau Schroeder, hier sind zwei
Kriminalbeamte, die sie sprechen möchten“, sagte er zu ihr. „Frau Schroeder, können wir Ihnen
ein paar Fragen stellen?“, erkundigte sich Gördi, während Petra einen der besagten
karierten Blöcke mit Bleistift aus ihrer Tasche holte. „Ja, natürlich. Was möchten Sie
wissen?“ „Sagen Sie uns bitte zunächst einmal
Ihren vollständigen Namen, wie alt Sie sind und was Ihre Tätigkeit hier in der
Firma ist“, bat Gördi. „Ulrike Schroeder, ich bin 53 Jahre
und die Arbeitskollegin von Sebastian, also Herrn Dressler. Wir beide machen
die Buchhaltung.“ „Sie beide alleine, für die ganze Baufirma?“ „Wir waren mal zu viert. Ein Kollege ist vor drei
Monaten in Rente gegangen und unsere Kollegin hat Ende August hier aufgehört,
sie ist zu einer anderen Firma gewechselt.“ „Dann sind Sie jetzt ganz alleine?“ „Ist Sebastian wirklich tot?“ „Ja, ist er.“ „Dann bin ich jetzt alleine. Der
arme Sebastian, was für ein Elend. Warum ist er nur tot? Heute Vormittag haben
wir uns noch über die Buchungen unterhalten, da ging es ihm doch noch gut. Er
hat noch Scherze gemacht…“, sagte Ulrike Schroeder und verstummte. „Sie waren nicht im Büro als er bewusstlos wurde oder waren Sie dabei?“ „Ich war zu Tisch und danach in einem Meeting, als ich wiederkam lag er
mit dem Kopf nach hinten auf seinem Bürostuhl.“ „Wann sind Sie zu Tisch gegangen und wann wieder gekommen?“ „Wie immer war ich um halb eins zu Tisch und im Anschluss ab eins bis so
um halb zwei im Meeting.“ „Wann ging der Herr Dressler zu Tisch?“ „Gar nicht, er machte immer im Büro seine Mittagspause. Er las dann immer
seine Tageszeitung und aß dabei etwas.“ „Können Sie uns etwas über sein Privatleben sagen?“, fragte Petra. „Seine Eltern leben in Hattingen, wo er auch
aufgewachsen ist und er lebt seit 4 Jahren hier in Essen Steele. Wo genau
kann ich Ihnen aber nicht sagen. Sebastian hat eine
Freundin, mit der er aber nicht zusammenlebt. Soweit waren sie noch nicht.
Er engagiert sich sozial. Er ist ein toller Mensch und Kollege… gewesen“,
machte Frau Schroeder die Aussage. „Gab es irgendwelche Auseinandersetzungen oder Streitigkeiten in letzter
Zeit?“, fragte Petra weiter. „Nichts, wovon ich wüsste“, antwortete Frau Schroeder. „Wer ist Ihr Chef und wo finden wir ihn?“, fragte Gördi. „Das ist Herr Dahlenburg. Er hat sein Büro
ganz am Ende desselben Ganges.“ „Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, egal was, dann melden Sie sich
bitte bei uns“, sagte Petra und schrieb ihr ihre Telefonnummer vom Polizeipräsidium
auf. „Hallo, dürfen wir Sie einmal
stören, wir hätten da ein paar Fragen?“ „Ja, natürlich, was möchten Sie
wissen?“ „Was war der Herr Dressler für ein
Mensch?“, fragte Petra. „Ein freundlicher und meist gutgelaunter
Mensch.“ „Gab es in letzter Zeit mal Probleme?“ „Nicht was mir bekannt wäre, aber Herr
Dressler war ja nicht in einem Bereich tätig, wo viel passiert.“ „Sie meinen, die Buchhaltung wäre
eine Abteilung, wo es keinen Ärger gibt?“ „Ja, genau.“ „Auch nicht schlecht, bitte nicht stören heißt, komm nicht rein damit
nicht auffällt, dass ich nicht da bin“, resümierte Gördi. „Können Sie uns sagen wo wir Herrn Dahlenburg finden?“ „In seinem Büro am Ende des Ganges ist er nicht?“, kam die Frage zurück. „Nein, da hängt nur ein Schild mit ‚Bitte nicht stören‘. Das Büro
ist aber leer.“ „Dann ist unser guter Herr Dahlenburg
schon in den Feierabend. Das macht er gerne, Schild hinhängen und verschwinden,
als wenn wir das nicht merken würden.“ „Ich habe mit allen zehn der hier anwesenden
Personen in den Büros an diesem Gang gesprochen“, teilte Heike mit. „Niemand kann
sich vorstellen, warum Sebastian Dressler so plötzlich verstorben ist.“ „Horst und Moris möchten euch was zeigen“,
sagte dieser, als sie bei ihm ankamen. „Seht euch mal den Leichnam an“,
sagte Horst als sie bei ihm standen. „Er hat eine sehr rosige Hautfarbe“,
fand Heike. „Ganz genau. Ist uns vorhin erst aufgefallen,
als hier keine direkte Sonneneinstrahlung mehr war“, erklärte Horst. „Die
Sonnenstrahlen haben ihn blasser aussehen lassen.“ „Und das heißt jetzt bitte was?“,
erkundigte sich Gördi. „Das wir es hier wieder mit einer
Vergiftung zu tun haben.“ „Ganz genau, Heike“, bestätigte
Horst. „Liegen hier irgendwo Zigaretten der Marke
‚Fräulein‘ herum?“, fragte Gördi nach. „Nein, würde aber auch nicht passen,
da die Haut des Leichnams von Evelyn
Peterschal eine ausgeblichene Hautfarbe hatte. Diese ist aber rosig.“ „Schön! Lüppi würde jetzt sagen, spann mich nicht auf die Folter“, erwiderte
Gördi. „Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine Vergiftung, nur welche es ist,
können wir hier nicht feststellen.“ „Wir haben alles abgesucht. Zum Beispiel haben wir geschaut, was der
Verstorbene zu sich genommen haben könnte. Haben aber nichts Auffälliges
gefunden“, informierte Moris. „Außer einer leeren Verpackung aus dem Supermarkt“, ergänzte Moris. „Dann bleibt nur abzuwarten, was Stefanie herausfindet“, sagte
Gördi und meinte die Rechtsmedizinerin Dr. Stefanie Schneider
damit. Montag, 16.20 Uhr Zur Überraschung von Torti stand Lüppi vor ihrer Bürotür und klopfte an. „Was machst du denn hier?“, fragte sie ihn erstaunt, als sie ihm öffnete. „Du bist alleine?“, fragte er nach als er eintrat obwohl er sah, Theodor Gränz, der Chef der Schreinerei und ein alter
Schulfreund von ihm, war nicht im Büro. „Theo ist im Betrieb. Aber warum kommst du hierher? Was ist passiert?“ „Eckerhard ist tot“, sagte Lüppi und nahm seine Marianne erst einmal in
den Arm. Er drückte sie fest. Sie sagte nichts. Er auch nicht. Theodor sah einige Sekunden später Lüppi und Torti
armumschlungen im Büro stehen und ging zu den beiden. „Was ist denn hier los?“, fragte er im scherzhaften Tonfall. „Eckerhard Schuster ist neben dem Auto erschossen worden“, sagte Lüppi. „Oh, mein Gott!“, rief Torti. Ihr stand der Schrecken im Gesicht geschrieben.
Nicht anders erging es Theodor, da er
Eckerhard einmal kennengelernt hatte. „Ich fand ihn sympathisch, als ich ihn getroffen habe“, sagte Theodor. „Ach ja, ihr habt euch ja kennengelernt, als ihr zwei
dafür gesorgt habt, dass ich gerettet wurde“, erinnerte sich Lüppi. „Ganz genau, aber sag, was ist
passiert“, forderte er ihn auf. „Eckerhard wollte sich den FIAT
ansehen, weil…“, weiter kam Lüppi nicht. Seine Stimme versagte und es schossen
ihm wieder Tränen in die Augen. „Eckerhard hatte… früher auch so ein… Modell… so einen
131er…“, dann verstummte Lüppi erneut. „Das habe ich heute Vormittag Theo noch erzählt“, sagte
Torti und bemerkte, der Tod nahm ihren Ehemann sehr mit. „Marianne hat mir noch von gestern erzählt. Ihr beide habt
Eckerhard mit seiner Frau
Anneliese in der Gruga getroffen“, fügte Theodor an. „Ich
habe die Kappe aus Italien mit ‚io amo l'Italia‘ drauf, auf dem Armaturenbrett
liegengesehen und habe sie ihm spontan geschenkt. Er mochte doch Italien so… „Du hast es doch nur gut gemeint, mein
Liebling“, sagte Torti. „Du konntest doch nicht wissen, was passieren würde.“ „Dir ist aber nichts passiert?“, fragte Theodor. „Nein, ich war in dem Augenblick auf dem Weg zu Marcel, dem
Oberstaatsanwalt. Der hatte angerufen. Ich weiß gar nicht was er von mir wollte…“,
sagte Lüppi und setzte sich auf den Stuhl von Torti. Theodor und sie setzten
sich dazu. Lüppi erzählte noch einmal ganz von Anfang an, was passiert war.
Beide bemerkten wie gut ihm das tat, über das Erlebte zu sprechen. Nach dem Bericht
unterhielten sich die drei noch länger weiter. Montag, 18.15 Uhr Die fünf Zuhause, in
der Kölner Straße, machten sich allmählich Sorgen um Torti und Lüppi, da sie nicht
wussten, wo beide abgeblieben waren. Im Büro hatten sie erfahren, Lüppi wäre ohne
etwas zu sagen einfach am Nachmittag gegangen. Nun waren sie Zuhause und sie fragten
sich, wo denn Torti wäre, da sie eigentlich schon hätte Daheim sein müssen. „Ich ruf in der
Schreinerei an“, sagte Petra und tat es. „Schreinerei Gränz“,
sagte Theodor
und hatte das Telefonat zu sich herübergeholt. „Petra
hier, hallo Theo. Du, ich suche die beiden. Mama müsste doch schon längst hier Zuhause
sein.“ „Hallo
Petra, mach dir keine Sorgen. Die beiden sind noch hier. Dein Vater hat uns erzählt,
was passiert ist.“ „Marianne
lässt ausrichten, sie kommen jetzt Heim“, teilte Theodor mit. Zuhause
wurden beide von Petra und Mario erwartet. Petra machte den Vorschlag, sich bei
ihnen zum Abendessen hinzusetzen. Als sie in der Küche anfangen wollte zu
kochen, klopfte es an der Wohnungstür. Mario öffnete die Tür, Nina stand da. „Wo
ist mein armer Lüppi?“, fragte die Kleine. „Ich
hätte mal wieder Lust auf eine Mafia-Torte“, sagte Nina. „Du
möchtest bitte was?“, erkundigte sich Lüppi. „Eine
Mafia-Torte… eine Pizza, mit Salami. Die würde ich heute gerne essen wollen.“ „Das
würde mir auch gefallen“, stimmte Mario ihr zu. „Ja,
supi, dann sind wir schon zu zweit. Wer möchte auch eine?“, fragte sie nach.
2
19.
September 1995, Dienstag, 10.35 Uhr Lüppi war früh am
Morgen bereits um 3.30 Uhr aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Aufgestanden
war er mit Torti zusammen. Nach der inzwischen üblichen gemeinsamen Tasse
Kaffee war er so lieb gewesen und hatte seine Frau zur Schreinerei gefahren. „Man ist das doof
hier alleine zu sitzen. Das habe ich über zwei Jahrzehnte lang gehabt? Wie scheiße
war das denn? Wieso bin ich Trottel nicht eher auf die Idee mit Torti gekommen,
was hätten wir alles gemeinsam bereits erleben können?“ – Und mit den Selbstgesprächen fängst du jetzt auch wieder
an, oder was? Ich krieg die Motten. – Nach dem ‚ich
muss alleine frühstücken‘ saß er auf
der Couch und hatte die Tageszeitung in den Händen. Auch hier war über den
Schusswechsel berichtet worden, aber sachlich und professional, wie man es von
der Zeitung gewohnt war. Nun um kurz nach halb elf waren alle Artikel gelesen
und erneut stellte er sich die Frage. „Und was nun? Was
mache ich jetzt?“, und dachte.
Dienstag,
10.55 Uhr Die Bürotür der fünf
stand wie immer offen und so bemerkten die drei, Heike, Petra und Gördi, gar
nicht, dass jemand im Türrahmen stand. Ohne ein Wort zu sagen blieb die Person
dastehen und sagte nichts. Nach wenigen Augenblicken stellte sich wortlos eine
weitere Person dazu und sah zur ersten. Beide lächelten sich an und die zweite
Person sagte zur ersten. „Was machen Sie denn
hier, mir ist gesagt worden, Sie würden die ganze Woche zuhause bleiben.“ „Papa, was machst du
denn hier?“ „Du wolltest doch
vier ruhige Tage machen“, sagte Heike. „Die Frage hat mir
unser Kriminaldirektor gerade auch schon gestellt. Antwort, mir war langweilig daheim und dann
dachte ich, ich könnte ja mal nachfragen, ob Björn und ich überhaupt mit einem
Strafverfahren rechnen müssen. Vielleicht ist der Fahrer ja von alleine gegen
den Baum gefahren“, antwortete Lüppi und schaute dabei zu Lothar Bäumler. „Das ist der Grund, warum ich hier zu Ihnen gekommen bin.
Ich habe gerade einen Anruf von unserem Herrn Vollmer aus der KTU bekommen. Wie
schon gestern Nachmittag feststand, hat unser Herr Klein beide Täter getroffen.
Den Beifahrer in den Hinterkopf und den Fahrer traf er per Streifschuss an der rechten
Wange. Gestorben ist der Fahrer bei dem heftigen Aufprall gegen den Baum, dabei
hat er sich sein Genick gebrochen“, sagte Herr Bäumler. „Wo ist denn der Björn?“, erkundigte sich Lüppi. „Er ist bis auf weiteres Krankgeschrieben. Die Tatsache, nicht
auf Zielscheiben geschossen, sondern einen Menschen getötet zu haben, hat ihn
wohl doch mehr mitgenommen als zunächst von ihm selbst vermutet“, antwortete Herr
Bäumler. „Und was ist mit mir? Was habe ich getroffen?“ „Sie haben dreimal geschossen und Sie befanden sich bei den
Schussabgaben links von dem fahrenden Wagen. Eine Patrone hat den Heckdeckel
getroffen. Dies war eigentlich ihr dritter Schuss. Der zweite Schuss hat das
linke hintere Seitenfenster zerschlagen und ist auf der rechten Seite im
mittleren Holm steckengeblieben. Die erste Patrone hat den Fahrer an der linken
Schulter gestreift, nachdem sie zuvor noch das vordere Seitenfenster durchschlagen
hat.“ „Das heißt jetzt was für mich?“, erkundigte Lüppi sich. „Nichts weiter, alles in Ordnung würden sie jetzt sagen. Sie
haben mit ihren Treffern nicht zur Unfallursache beigetragen. Sie können also
weiter im Dienst bleiben.“ „Gegen Björn wird ein
Strafverfahren eingeleitet, darf ich annehmen?“ „Ja, ist richtig.
Herr Pohlmeier, der Oberstaatsanwalt, hat heute
Morgen schon mit mir telefoniert“, teilte der Kriminaldirektor mit. „Na, gut. Ich gehe mal davon aus, dass er nicht angeklagt wird“,
glaubte Lüppi. „Das müssen wir abwarten. Es kommen zwei Kriminalbeamte aus
Bochum hierher, sie werden die Ermittlung übernehmen.“ „Wissen Sie schon wer?“ „Einer wird der Kriminalhauptkommissar
Mathis Kintrup sein. Der andere stand noch nicht fest“, teilte Herr Bäumler mit. „Der hat doch auch
gegen unseren Kollegen Peter Kordes ermittelt, der inzwischen in U-Haft sitzt.“ „Ist richtig.“ „Wir müssen uns die nächsten Tage einmal über die kommissarische
Vertretung von Herrn Schuster unterhalten“, meinte Herr Bäumler zu Lüppi. „Ist das nicht ein bisschen zu früh… und wieso schauen Sie
mich dabei an? Ich bin doch erster Kriminalhauptkommissar
und nicht Kriminalrat?“ „Kommissarisch!
Und ich muss Ihnen jetzt doch nicht sagen, ein erster Kriminalhauptkommissar
kann kommissarisch einen Kriminalrat auf sehr lange Zeit vertreten.“ „Und da falle nur
ich Ihnen ein?“ „Jetzt einmal Hand
auf´s Herz. Möchten Sie, dass ich einen der anderen drei ‚Ersten Hauptkommissare‘
der anderen drei Kriminalinspektionen anspreche? So wie ich Sie kenne, geht das
auf Dauer doch sowieso nicht gut und dann sollten Sie es doch direkt selbstmachen.“ „Keine Sorge, es hat Zeit, darüber sprechen wir zwei erst
wenn wir unseren Herrn Schuster zu Grabe getragen haben. Bis dahin läuft alles
so weiter wie bis jetzt auch“, sprach er weiter und ging zu Gördi. „Herr Schwarz, gibt es einen neuen Fall oder war das gestern
Fehlalarm?“ „Wir haben bei der Baufirma UWG-Bau in Essen Bergerhausen
einen plötzlich verstorbenen 34jährigen Sebastian Dressler
aus der Buchhaltung.
Unsere Rechtsmedizin sucht noch nach der Todesursache“, teilte Gördi mit. „Das klingt jetzt so als wenn sich der neue Fall in die Richtung des
vorherigen entwickeln könnte“, überlegte der Kriminaldirektor laut. „Wir wollen es nicht hoffen, aber es sieht danach aus“, bestätigte
Gördi. „Kriminalkommissarin Petra Wilkerling, guten Tag.“ „Ich bin es“, sagte Torti. „Ich erreiche Lüppi Zuhause nicht.
Hat er sich bei euch gemeldet?“ „Nicht direkt. Papa ist hier bei uns“, antwortete Petra. „Was macht er denn im Präsidium?“ „Er ist entlastet und es wird kein Strafverfahren gegen ihn geben.“ „Und dann hat er
es Zuhause nicht mehr ausgehalten?“ „Ja, genau. Wir passen
auf ihn auf, versprochen“, sagte Petra. „Mach dir keine Sorgen.“ „Was habe ich dir
gesagt, wenn wir hierherkommen wird unser Lüppi bereits wieder da sein“, sagte
Marcel zu Mario. „Du kennst ihn
halt länger als ich“, erwiderte Mario, ging zu Lüppi und legte seinen linken
Arm auf seine Schulter und fragte: „Wie geht es dir?“ „Grundsätzlich gut.“ „Aber?“, fragte
Mario. „Mach mal bitte die
Tür zu“, bat Lüppi. „Setzt ihr drei euch
einmal bitte“, bat Lüppi und meinte damit den Kriminaldirektor, Marcel
und Mario. „Ich glaube, ich sollte euch mal was sagen. Nein…, ist nicht
richtig. Ich möchte euch etwas sagen, so muss es heißen. Dass ihr sechs mir
alle lieb und teuer seid, wisst ihr hoffentlich. Ich bin wirklich sehr
glücklich mit euch zusammen arbeiten zu dürfen und mit euch vieren auch wohnen
zu können“, dabei sah zu er Petra, Heike, Gördi und Mario. „Das was ich gerade
sagte gilt auch für Sie, Herr Bäumler, und das meine ich so wie ich es sage.“ „Das überrascht mich jetzt ein klein wenig…“, gestand er,
sagte aber nichts weiter dazu. „Mir ist es in der Nacht auf dem Gelände der Speditionsfirma
Gebrüder Nolte, nach der Schießerei mit dem Syndikat, das erste Mal so richtig bewusst
geworden. Ich hänge an euch allen. Dafür, dass ich über zwanzig Jahre lang immer
alleine Zuhause war und in den letzten Jahren mit dir, lieber Gördi, ermitteln
durfte, wofür ich mich bei dir bedanken möchte, dass du es schon so lange mit
mir aushältst. Niemand außer unserem Eckerhard hat es länger mit mir
ausgehalten. Die Veränderungen in meinem Leben in den letzten Monaten hätte ich
mir so nie vorstellen können. Das wir hier zusammen ermitteln und das auch noch
recht erfolgreich, habe ich zu schätzen und zu lieben gelernt. Keinen von euch
sechsen möchte ich in meinem Leben missen. Das mir unser lieber Kollege
Eckerhard ab und zu ganz schön auf die Nerven ging, tut mir jetzt wirklich sehr
leid. Er hat ein Jahr vor mir hier bei der Polizei angefangen. Wir haben viel
gemeinsam erlebt und auch zusammen gemacht, bis er sich zum Kriminalrat
weitergebildet hat. Er sah darin die Möglichkeit seine Pension erleben zu können,
was ihm leider nun doch nicht vergönnt ist. Ich weiß, ich hätte mich in Italien
nicht in die Ermittlungen gegen Bernardo Carbone und Michele Alessandro Mascali einmischen
sollen. Da kam der Kriminalkommissar in mir durch.
Hätten wir oder ich das nicht getan, dann wären wir dem Diego Santoro, dem Sporgenza Superiore von Genua, nicht auf die Füße getreten. Die
zwei Mordanschläge gegen uns vier hätte es dann auch nicht gegeben. Somit wäre
uns auch kein Mordkommando aus Italien gefolgt und Eckerhard könnte noch unter
uns sein“, sagte Lüppi und musste selbst erst einmal „Ich habe dich auch sehr lieb“,
erwiderte Petra und hatte Tränen in den Augen. „Heike, meine beste Freundin. Es freut
mich ungeheuerlich miterleben zu können, wie glücklich du mit Gördi und Nina
bist. Und es freut mich auch sehr, dass du endlich aus Frankfurt wieder hier bist.“ „Gördi, ich fand es ganz toll, dass du
auf meinen Vorschlag, zu uns in die Kölner Straße zuziehen, eingegangen bist
und hoffe sehr, dass du für immer bleibst. Ich freue mich über jeden Tag und
erst recht über die vielen Abende, die wir zusammen verbringen.“ „Danke, geht mir genauso, lieber Martin“,
entgegnete Gördi. „Mario, mein zukünftiger Schwiegersohn,
dich bei uns zu haben ist einfach nur toll. Im Grunde genommen hast du in
unserem Kreis vorher gefehlt. Erst durch dich wurden wir vollständig. Die Liebe
und das Glück was dich und Petra verbindet, macht mich sehr glücklich. Du bist
ein ganz toller Kerl“, sagte Lüppi und unterbrach kurz. Er wischte sich die
Tränen aus den Augen und sprach weiter. „Marcel, mein Lieblingsanwalt, du bist
für mich in meinem Berufsleben das, was in Italien die Soße auf den Nudeln ist.
Die Pasta schmeckt ohne sie nun mal nicht. Ohne dich wäre mein Berufsleben einfach
nur fad und geschmacklos. An dieser Stelle möchte ich mich bei dir auch entschuldigen.
Ich war nicht immer lieb zu dir und habe dich ab und zu ganz schön genervt. Ich
gelobe hiermit Besserung.“ „Das lass mal schön sein, denn ich
möchte den Lüppi haben, der du bist und keinen anderen“, gestand er. „Herr Bäumler, Ihnen möchte ich sagen
und das meine ich so. Sie sind für mich und für uns hier der beste Chef und
Vorgesetzte, den wir uns nur wünschen können. Immer fair, immer ein offenes
Ohr, nie ein Wort des Vorwurfes, auch wenn nicht immer alles so gelaufen ist, wie
man es sich in der Vergangenheit gewünscht hätte. Ich sehe in Ihnen eher einen
Freund als einen Vorgesetzten. Es freut mich sehr, dass wir ein so gutes
Verhältnis haben. Danke, dass Sie immer für uns da sind.“ „Ich sage gleich noch etwas dazu.“ „So… das wollte ich euch sechsen sagen“,
sagte Lüppi. „Und jetzt zu deiner Frage, Mario. Mir
geht es gut. Ich bin traurig darüber, dass die beiden Täter es hierher bis zu
uns geschafft haben. Der Tod der beiden stört mich nicht. Sie hätten auch einen
anderen Beruf ergreifen können, haben sie aber nicht. Scheiße ist es für Eckerhard und Anneliese, was mir für die
beiden wirklich wahnsinnig leidtut. Ich wünschte ich könnte es ändern. Ich
komme mit der „Herr Lüpke, ich bin ganz ehrlich, wenn ich sage, ich bin
über Ihre Offenheit etwas überrascht, finde es aber ganz toll das Sie bereit
waren uns dies alles zu sagen. Da Sie in mir einen Freund sehen, kann und möchte
ich Ihnen nun auch sagen…, dies beruht auf Gegenseitigkeit. Daher möchte ich Ihnen
das DU anbieten, wenn Sie damit einverstanden sind.“ „Ich bin ab jetzt für dich der Lothar.“ „Na gut“, sagte Marcel. „Wo wir hier gerade so schön
beisammen sind, ich habe gestern und Mario heute mit Santino Martinelli gesprochen. Die Täter sind identifiziert.“ „Santino
Martinelli, war wer das noch mal bitte?“, fragte Lothar. „Das ist der neue Mafia-Jäger, Oberleutnant der Carabinieri“, antwortete Mario. „Ach, ja“, sagte Lothar. „Ich erinnere mich wieder. Die Carabinieri
gehören ja zu den italienischen Streitkräften und sind dem Italienischen Verteidigungsministerium
unterstellt.“ „Ganz
genau, Santino hat uns mitgeteilt, er weiß jetzt wer der Jugendliche auf dem
Sozius des Motorrads in Figline Valdarno war“, sagte Mario. „Das er aus Neapel war, wussten wir schon“, sagte Lüppi. „Na, prima, ganz Klasse“, sagte Lüppi. „Was heißt das jetzt bitte?“, fragte Petra. „Wieso schickt die Organisation aus Neapel einen Killer? Was
haben die denn mit der Genua Organisation zu tun?“, fragte sich Lothar laut. „Das habe ich auch gefragt“, sagte Marcel. „Santino sagte uns,
die Genua Organisation und die Neapel Organisation kooperieren miteinander. Das
ist auch der Grund, warum Santino jetzt wieder in Neapel ist.“ „Dann kommt uns in der nächsten Zeit jetzt der Vater von dem
16jährigen besuchen, oder was?“, fragte Lüppi. „Nein, tut er nicht, hat er nämlich
schon“, sagte Marcel. „Was heißt das, hat er schon?“,
fragte Heike. „Ist das etwa der… aus dem…“,
weiter sprach Gördi nicht. „Riccardo Spinelli, der Vater von Luca Spinelli, liegt bei Stefanie in der Rechtsmedizin“,
teilte Marcel mit. „Ach
du Scheiße, dann war der Schütze auf der Beifahrerseite des 3er BMW´s dieser Riccardo
Spinelli?“, fragte Petra nach. „Ja, ganz genau“, antwortete Marcel. „Santino meint, das werden die sich nicht gefallen lassen
wollen“, ergänzte Mario. „Dann muss sofort der FIAT weg“, sagte Petra. „Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, gestand ihr Mario.
„Ich habe vorhin mit meinen Eltern gesprochen, wir können den 131er bei ihnen
in Oberhausen in die Garage stellen.“ „Lüppi, du kannst dir bis auf weiteres aus dem Fuhrpark einen
zivilen Opel Vectra geben lassen“, sagte Lothar Bäumler. „Danke, das ist ganz lieb, Lothar“, bedankte sich Lüppi. „Santino hört sich um, wer möglicherweise als nächstes hierhergeschickt
wird“, sagte Marcel weiter. „Vielleicht die Mancini-Brüder“, überlegte Gördi. „Könnte passen, zumal wir ja dem Bernardo Carbone, von der Sizilianischen Organisation,
das Geschäft mit Genua versaut haben. Dann wird es aber eng für uns, denn was die
so alles veranstalten, das wissen wir ja inzwischen, ich sag nur die Häuser des
Hamit-Clans“, sagte Lüppi. „Schöne Scheiße!“, sagte Lothar. „Mist und was machen wir jetzt?“, fragte Heike. „Ihr drei ermittelt erst einmal im neuen Fall, Sebastian Dressler
weiter“, sagte Lüppi. „Und was machst du?“, fragte Petra ihn. „Ich bringe jetzt zusammen mit Mario den FIAT zu Bianca und
Filipo, damit der Wagen so schnell wie möglich von der Straße kommt“, sagte Lüppi. „Das solltet ihr tun“, bestätigte Marcel und Mario nickte
zustimmend. Dienstag,
11.45 Uhr Im Straßencafé auf
der Piazza del Duomo saßen zwei ältere Herren. Sie saßen schon länger dort. Den
Blick, den beide von dort hatten, war mit dem Brunnen Fontana del Nettuno und
der dahinterliegenden Kathedrale von Trient, wunderschön anzusehen. Beide sagten
nicht viel. Überhaupt sprachen die beiden an dem Tag nicht besonders viel miteinander,
was nicht daran lag, dass sie sich nichts mehr zu sagen hatten, ganz im
Gegenteil. Beide waren sich nur nicht einig über das nächste Vorgehen. Sie hatten
ihre Ansicht geteilt und waren uneins geblieben. Das Schweigen ging nun schon
fast eine Stunde lang, außer mit dem Kellner hatten sie nicht weitergesprochen.
Einer von beiden wagte noch einen weiteren Versuch. Das dieses Gespräch auf
Italienisch mit einigen sizilianischen Worten geführt wurde, sei an dieser Stelle erwähnt. „Komm, lass uns noch
einmal darüber sprechen“, bat Bernardo Carbone seinen alten Freund. „Was
gibt es da noch zu sprechen? Es ist alles gesagt. Du willst unbedingt auf den
Vorschlag eingehen und ich nicht. Du gibst mir zwar recht, mit dem was ich sage,
hörst aber nicht auf mich. Mal wieder nicht oder soll ich sagen, wie immer nicht?“,
fragte Michele Alessandro Mascali. „Du
musst aber zustimmen, es wäre eine ganz tolle Gelegenheit“, sagte Bernardo. „Ja,
klar, wäre ganz toll, wenn da nicht der Martinelli und er nicht ‚il nuovo Cacciatori‘
wäre, dann wäre das ganz toll. Aber darüber haben wir zwei uns schon zigmal
ausgetauscht. Es ändert sich nichts an meinem Standpunkt“, sagte Michele. „Was
meinst du, was sollen wir tun. Warten bis einer von uns beiden nachgibt oder
uns auf einen Kompromiss einigen?“, erkundigte sich Bernardo. „Kompromiss?
Und wie bitte könnte der aussehen?“, fragte Michele nach. „Zum
Beispiel könnten wir warten mit was für Informationen Giacomo zurückkommt und
uns dann noch einmal darüber unterhalten, um uns dann auf eine gemeinsame
Entscheidung zu verständigen.“ „Können
wir machen, schauen wir mal was dann für Karten auf dem Tisch liegen. Wann will
Giacomo wieder hier sein?“, fragte Michele. „Morgen,
im Laufe des Vormittags. Er spricht heute mit dem Sporgenza Superiore von Neapel und
kommt dann zurück.” „Wie
heißt der Sporgenza Superiore noch mal?“, fragte Michele. „Francesco und was?“ „Francesco Antonelli.
Er war über den Tod des jungen Luca Spinelli ziemlich sauer, hatte Giacomo doch gesagt“, teilte
Bernardo mit. „Nachvollziehbar.
Da hat er einen vielversprechenden Nachwuchs-Problemlöser, den schickt er für
den Diego Santoro nach Figline Valdarno, damit dieser Commissario Lüpke beseitigt wird und der bemerkt
das irgendwie und erschießt den jungen Luca.“ „Wie
wird dieser Lüpke noch genannt?“ „Lüppi,
Commissario Lüppi. Klingt harmlos, ist er aber nicht.“ „Das hat man häufiger, die Harmlosen sind die schlimmsten.“ „Wenn sich jetzt der Vater von Luca drum kümmert, ist der Commissario
Lüppi vielleicht… möglicherweise… für immer Geschichte, oder auch nicht“, glaubte
Michele. „Du scheinst das aber nicht zu glauben.“ „Nein, tue ich auch nicht. Nicht bei diesem Commissario.“
Dienstag,
12.15 Uhr Auf dem Schreibtisch
von Gördi klingelte das Telefon. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Es war
der wachhabende Kollege aus der Wache von unten. „Es hat sich eine Streife
gemeldet, die in die Altstraße gerufen worden ist. Eine Frau
Heidi Meyfarth vermisste ihre Nachbarin, die zu ihr kommen wollte. Die
Kollegen sind mit Hilfe eines Schlüsseldienstes in die Wohnung. Laut dem dazu gerufenen
Notarzt ist Frau Hannelore Osterfeld seit mehreren
Stunden tot. Die Kollegen vor Ort meinen, nach dem Einschätzen des Arztes, es
wäre besser, ihr würdet euch das mal ansehen. Die KTU ist bereits verständigt“,
sagte der Wachhabende. „Wo genau ist die Altstraße?“, erkundigte sich
Gördi. „Im
Stadtteil Schönebeck. Die Altstraße ist eine Parallelstraße
zur Frintroper Straße. Die nächste Parallelstraße ist die Herbrüggenstraße“,
informierte der Wachhabende. „Okay,
dann weiß ich, wo das ist. Gib mir mal die Hausnummer“, bat Gördi, die er von
dem Kollegen erhielt. „Was
denn, noch ein Fall?“, fragte Heike nach. „Jo,
Hannelore Osterfeld in Schönebeck, in der Altstraße,
Hausnummer…“, weiter sprach Gördi nicht, da das Telefon von ihm erneut schellte.
Es war wieder der wachhabende Kollege. „Hier
ist ein Kollege aus Bochum für euch. Es ist Kriminalhauptkommissar Mathis Kintrup. Er möchte zu euch. Holt ihn
jemand ab?“ „Ja, ich komm“,
sagte Gördi und hing ein. „Kriminalhauptkommissar
Kintrup ist da, ich gehe ihn abholen“, informierte Gördi die zwei. „Was ist mit
Schönebeck?“, fragte Petra. „Fahrt ihr zwei
dahin. Gestern hat mir schon gereicht“, antwortete er und ging. Dienstag,
13.05 Uhr In der Altstraße angekommen
standen beide vor einem zweistöckigen Haus mit ausgebautem Dachboden. Auf der
rechten und linken Seite vor dem Haus war der Vorgarten mit Blumen bepflanzt. An
Hand der Briefkästen sahen sie, dort wohnten sechs Parteien. Der Wagen des Notarztes
war nicht zu sehen. Er schien also schon weg zu sein. Ein Streifenkollege kam
ihnen an der Haustür entgegen. „Hallo, ihr zwei“, sagte
er. „Es ist unten rechts.“ „Danke, Kollege“,
erwiderte Heike und wusste sie hatte ihn schon ein paarmal gesehen, seinen
Namen hatte sie nicht behalten. Petra kannte ihn gar nicht, sah aber an Hand des
Dienstgradabzeichens auf seiner Schulter, drei grüne Sterne hieß, er war Polizeiobermeister. „Ich darf annehmen, du
bist Petra, Kommissar Lüppi´s Tochter?“, fragte der Kollege. „Ja, ist richtig
und wer bist du?“ „Ich bin der Kai-Uwe Vogel. Schön dich kennenzulernen.“ „Hallo Heike, hallo Petra“, grüßte Heinz erfreut. „Hallo Heinz, was machst du denn in dem Teil der Stadt?“,
fragte Heike nach.
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