Taschenbuch:
ISBN: 9783758437984
Inhaltsangabe: Der Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke, Spitzname Lüppi, und sein Team werden zu einem Toten in einer Alten-Residenz nach Essen-Werden gerufen. Nach und nach kommen noch weitere Personen in anderen Stadtteilen und in der Nachbarstadt auf die gleiche Art ums Leben. Mit den dortigen Kollegen fängt eine gemeinsame Ermittlung an. Selbst in einer dritten und zwei entfernten Städten kommen weitere Fälle hinzu. Lüppi und das Team suchen eine Verbindung zwischen all diesen Fällen.
Leseprobe: 5. Oktober
1995, Donnerstag, 8.35
Uhr Alle fünf waren seit kurz vor acht im Büro. Es fehlte am
zweiten Tag in Folge, Jasmin. Angerufen hatte sie auch nicht. Die drei, Heike,
Petra und Gördi machten die Fallakten weiterhin fertig. Petra legte die Akte vom
ersten Mordopfer als erstes zu Lüppi auf den Schreibtisch. Wie immer blätterte
er die Akte durch und schaute, ob alles vorhanden war und klappte die Akte zu. „Entschuldigung, ich habe mich etwas verlaufen. Ich bin in die
falsche Richtung gegangen, das habe ich aber erst gemerkt, als ich an der A40
stand. Anrufen konnte ich leider nicht, ich hatte kein Kleingeld für die Telefonzelle.“ „Setz dich“, sagte Lüppi knapp. „Und hast du deine berühmten Sätze schon drauf geschrieben?“ „Ich bin dabei, ihr seid zu früh“, sagte Lüppi und setzte
den Kugelschreiber ein zweites Mal an. ‚Wie uns alle sagten, war er ein ganz lieber Mensch, dem
die Großzügigkeit seiner Kollegin zum Verhängnis wurde und das alles nur weil
ein Mensch glaubt, es müsse sich alles um ihn drehen. Er war definitiv das falsche
Opfer.‘ Auf der zweiten Akte von Hannelore Osterfeld war zu lesen. ‚Ich kann mir keinen schlimmeren Mordgrund vorstellen,
als dass eine alte Dame sterben muss, weil sie in einer Wohnung wohnt, die jemand
anders haben möchte.‘ Auf der dritten Akte von Axel Herrmann
war zu lesen. ‚Seine Gedanken, die er sich um seine Mitmenschen machte,
wurden ihm leider zum Verhängnis. Nicht nur die Hunde und Katzen in Mülheim Saarn
werden diesen Herzensguten Menschen vermissen.‘ „Wie wahr, wie wahr“, resümierte Marcel mal wieder. „Ich bin von deinen berühmten Abschlusssätzen immer wieder begeistert“,
gestand Lothar. „Ich bin mir nicht sicher, aber man könnte den Eindruck
bekommen, alle Frauen, die mit Vornamen Kerstin heißen, sind irgendwie verstrahlt
im „Du denkst dabei an Kerstin Habig, die Ex von Torti´s Dirk?“,
fragte Heike nach. „Ganz genau, die ging so in die Richtung von Kerstin Maiwald.“
(Kommissar Lüppi - Band 4) „Da stimme ich dir zu.“ „Die hat aber niemanden umgebracht“, warf Petra ein. „Zumindest wissen wir noch nichts davon“, fügte Lüppi an. „Was nicht ist, kann noch werden“, ergänzte Mario. „Apropos, was ist denn jetzt eigentlich mit dem Nachbarn
Paul Vetter“, fragte Marcel. „Mario hat mir erzählt, der vermietet an die Gruppe
‚Neues Reich‘ eine große
Halle in Duisburg?“ „Stimmt,
das hat gestern Frau Maiwald ausgesagt“, bestätigte Lüppi. „Kümmern wir uns
drum. Wenn wir dort nichts in unserem Bereich finden sollten, also ich meine Waffendelikte mäßig, dann geben
wir es weiter an die KK31 zu Karin
und Hans.“ „Wir sollten auch
noch mal nachhören, warum der nette Herr Vetter uns belogen hat, er wäre um den
Nachbargarten in den von Herrn Herrmann gelaufen. Denn wie wir jetzt wissen,
geht das ja gar nicht“, machte Petra darauf aufmerksam. „Das wüsste ich auch
gerne“, sagte Mario. „Was ist denn jetzt eigentlich mit dem Apotheker Jakob
Tondorf? Mario hat mir auch davon erzählt“, sagte Marcel. „Jasmin!“, rief Lüppi, ohne sie anzusehen. „Unser Oberstaatsanwalt hat eine Frage gestellt, die du
bestimmt gehört hast. Erzähle uns bitte, was du bis jetzt zu dem Apotheker Tondorf
herausgefunden hast“, bat Lüppi. „Herr Tondorf hat ja ausgesagt, er habe sich Vergleichsangebote
von anderen Herstellern geben lassen, um besser mit den Medikamenten-Herstellern
verhandeln zu können. Das war gelogen. Alle Apotheken kaufen ihre Medikamente
vom Großhandel und nicht von den Herstellern“, sagte Jasmin und fragte. „Soll ich
weiter ausholen?“ „Gerne, das würde mich auch interessieren“, antwortete der Kriminaldirektor
ihr. „Die Hersteller verkaufen ihre Medikamente an eine
Großhandelsfirma und diese wiederum dann an die Apotheken. Stellt sich nun die
Frage, wieso kaufen die Apotheken dann nicht direkt bei den Herstellern ein?
Ganz einfach“, sagte Jasmin und berichtete weiter. „Danke für die Ausführung“, sagte Lüppi und lächelte sie an. „Somit hat der Herr Tondorf euch einen vom Pferd erzählt“,
resümierte Mario. „Fragt sich nur, warum er so schnell bereit war, hierher zu
kommen?“, fragte Heike. „Um uns dann irgendeinen Mist zu erzählen“, ergänzte Gördi. „Werden wir noch herausfinden“, sagte Lüppi. „In aller Regel
lassen die Antworten auf solche Fragen nicht allzu lange auf sich warten.“ „Ist Frau Dr. Schneider schon mit der Obduktion bei der älteren
Dame aus dem Altenheim fertig?“, fragte Lothar. „Ja, ist aber kein Fall für uns“, antwortete Heike. „Sie ist also einfach so verstorben?“, fragte Marcel nach. „Ganz genau“, bestätigte Gördi. „Dann habt ihr ja jetzt nichts mehr zu tun“, machte Lothar
die Feststellung. „Was hast du denn, was du uns geben möchtest?“, erkundigte
sich Lüppi bei ihm. „Du, Lüppi oder ihr erinnert euch noch daran, dass ich von
euch eine Zusammenstellung aller Fälle der letzten Jahre brauchte?“, fragte Lothar. „Jetzt sag bitte nicht, die Zusammenstellung von unserem lieben
Ex-Kollegen Peter Kordes war was für den Arsch“, bat Lüppi. „Doch leider. Ich habe in der Aufstellung Fälle von anderen Kriminalkommissariaten
gefunden“, fing der Kriminaldirektor an. „Ach, du dicke Scheiße“, war von Lüppi zu hören. „Wäre es für dich in Ordnung, wenn Frau Ambrose dies tun würde?“,
fragte er bei Lüppi nach und sagte zu Jasmin. „Sie haben so toll über die Apotheken recherchiert, ich glaube,
Sie sind genau die richtige Person für eine solche Aufgabe. Das wird niemand
besser können als Sie.“ Petra´s Telefon schellte. Da sie am Schreibtisch saß, nahm
sie den Hörer ab und meldete sich. „Kriminalkommissarin Petra Wilkerling, guten Morgen.“ „Hallo Petra, ich bin es“, sagte der wachhabende Kollege aus
der Wache von unten. „Es haben sich zwei Kollegen gemeldet, die nach Werden zu
einer Alten-Residenz gerufen worden sind. Der Hausarzt vor Ort ist sich sicher,
bei Herrn Pfeifer stimmt was nicht. Es müssten einer oder zwei von euch dort
hin.“ „In Ordnung, wo ist das denn genau?“, fragte Petra nach. „In Ordnung“, erwiderte Petra. „Wir haben eine männliche Leiche in einer Alten-Residenz in
Essen-Werden. Der Arzt hat die Kollegen kommen lassen.“ „Gut, Heike, Gördi und Meik, ihr fahrt dort hin“, legte Lüppi
fest. „Ich könnte dich ja jetzt fragen, aber ich glaube, das ist
gar nicht nötig…, daher sage ich jetzt nur zu dir…, wenn du fertig bist könnten
wir von mir aus los.“ „Habe ich.“ „Vorher anrufen?“ „Würde ich nicht“, erwidert sie. „In Ordnung“, sagte er und beide gingen. Donnerstag,
10.00 Uhr Beide waren in der Straße Oemberg eingebogen und stellten den Mercedes am Straßenrand vor dem
Haus von Herrn Vetter ab. Sie stiegen aus und gingen auf das Haus zu. Lüppi
hatte dabei so das Gefühl, das Haus würde irgendwie ‚still‘ wirken. Da er das selbst für ‚Blödsinn‘ hielt, teilte er es Petra
gar nicht mit. An der Haustür angekommen drückte Petra auf die Türklingel. Es läutete hörbar. Sie warteten. Lüppi schaute
sich um. Vor dem Haus stand der alte Opel Rekord von ihm. Petra drückte erneut
auf die Klingel. Bei einem Blick über zwei Grundstücke hinweg erblickte er Frau
Heigen an ihrem Küchenfenster. Ihm fiel die Aussage von Bernd Müller, dem Stiefsohn
vom Mordopfer Herr Herrmann wieder ein, der da gesagt hatte, Frau Heigen würde
in der Straße ‚das FBI‘ genannt. Um sie zu grüßen war er „Was ist los?“, fragte sie ihn. „Ich habe Frau Heigen am Küchenfenster gesehen als sie bemerkte,
dass ich zu ihr sehe, ist sie vom Fenster verschwunden.“ „Du meinst, sie hat sich abgewendet?“ „Nein, nicht herumgedreht oder so, sondern bei Seite gegangen.
So wie, huch, er hat mich gesehen.“ „Vielleicht war es ihr peinlich, dass du sie beim Beobachten
erwischt hast“, glaubte Petra. „Kann sein…“, sagte er zu ihr. „Wir hätten doch vorher anrufen sollen“, meinte sie. „Fällt dir etwas auf?“, erkundigte er sich bei ihr. „Der Hund bellt nicht wie beim letzten Mal.“ „Genau. Komm wir gehen mal ums Haus“, sagte er und ging vor.
„Hallo, ist jemand da? Hier spricht die Polizei“, rief Lüppi
laut und beide warteten ab. „Hallo, ist jemand da?“, rief er noch einmal, wartete kurz und
fügte an. „Wir kommen jetzt rein.“ Donnerstag,
10.10 Uhr Die drei waren fast
zur gleichen Zeit an der Alten-Residenz angekommen.
Lange hatte Gördi einen Parkplatz suchen müssen, da die Besucherparkplätze alle
besetzt waren. Die Alten-Residenz befand sich mitten in Werden, was die Parkplatzsuche
nicht gerade erleichterte, ganz im Gegenteil. Der Ford Sierra stand einige hundert
Meter entfernt. – Unter einer Residenz habe ich mir mehr vorgestellt. – dachte
sie. „Guten Morgen, Kollege“, grüßte Gördi und sah auf dem Bett
den Verstorbenen liegen. „Der Doktor ist schon weg?“, erkundigte sich Gördi bei dem
Streifenkollegen. „Ja, er musste weiter. Er hat mir für euch seine Visitenkarte
dagelassen“, antwortete der Kollege und hielt Gördi die Karte hin. „Dr. Werner Neumann, Facharzt für Geriatrie.“ „Was bitte ist denn Geriatrie?“, fragte Meik nach. „Das ist ein Arzt für Senioren“, antwortete Gördi. „So etwas gibt es“, wunderte er sich. „Ganz ehrlich“, sagte der Streifenkollege. „Ich habe mich
auch gefragt, was das denn sein soll. Ich wollte aber nicht fragen. Der Doktor
hat mir gesagt, von ihm würde es nicht so viele geben.“ „Was genau hat der liebe Herr Doktor denn gesagt?“, fragte
Heike. „Er ist heute Morgen von der Heimleitung angerufen worden,
der Herr Pfeifer wäre verstorben. Er meinte zu uns, er habe ihn sich angesehen
und an Hand, wie der verstorbene dort liegt, glaubt er an einen plötzlichen und
nicht natürlichen Tod.“ „Das war alles, was er sagte?“, fragte Heike nach. „Ja, mehr war nicht. Ihm ist es an Hand der Lage, wie der
Herr Pfeifer dort liegt, komisch vorgekommen.“ „Klingt ja interessant“, fand Meik. „Wie meinst du das?“, erkundigte sich Gördi. „Wenn der ältere Herr tot im Bett gelegen oder er ihn in
seinem Sessel sitzend vorgefunden hätte, wäre er nicht auf den Gedanken
gekommen, hier könnte etwas nicht stimmen“, fasste Meik seine Überlegungen zusammen. „Mmh…“, ließ Heike von sich hören „Die KTU ist verständigt?“, fragte Gördi nach. „Ist auf dem Weg“, war die Antwort vom Streifenkollegen. Donnerstag,
10.15 Uhr Lüppi und Petra hatten sich im Erdgeschossbereich des Hauses
umgesehen. Die Schränke waren alle zu, nichts war durchwühlt und niemand schien
etwas gesucht zu haben. Auf den ersten Blick fehlte auch kein teures Elektrogerät
wie zum Beispiel, der Fernseher, die HiFi-Anlage oder „Hier fehlt was“, sagte sie. „Was ist es denn?“ „Dem Staubfreien Bereich nach zu
urteilen, würde ich auf eine Schusswaffe tippen“, antwortete sie. „Lass uns mal in den Keller gehen. Das, was ich hier gesehen
habe, reicht mir schon.“
Donnerstag,
10.35 Uhr Während Heike oben bei dem Streifenkollegen und dem
Verstorbenen geblieben war, war inzwischen Moris Veigel mit einem Kollegen aus
der KTU eingetroffen. Horst war nicht mitgekommen, weil er die Berichte der
letzten Tage fertigmachen wollte. „Wie ist denn der vollständige Name?“, fragte Gördi. „Klaus Pfeifer, er wohnte seit 8 Jahren hier.“ „Wie alt war Herr Pfeifer?“ „Er ist letzte Woche 80 Jahre alt geworden.“ „Wir haben hier die Karte von Dr. Neumann, Arzt für Geriatrie.
Was können Sie uns zu dem Herrn sagen? Warum ist er gerufen worden?“ „Den Dr. Neumann haben wir hier für unser Haus engagiert,
damit hier nicht so viele Ärzte herumlaufen müssen. Hinzukommt noch, bevor der
Dr. Neumann hierher kam, hatten wir zum Beispiel das Problem, wollten mal drei „Hat der Dr. Neumann hier so eine Art Praxis?“ „Es gibt hier einen Behandlungsraum, der wird aber nur
selten benutzt. Den Großteil kann er bei den Bewohnern in deren Räumen
erledigen“, erklärte die Dame der Heimleitung. „Dann wissen Sie also ganz genau, wann der Herr Dr. Neumann
immer so hierherkommt?“ „Nein, nur bei bestimmten Bewohnern. Die meisten machen mit
Dr. Neumann selbst die Termine aus oder er geht bei dem einen oder anderen
Bewohner vorbei, weil er gerade mal hier ist.“ „Wo hat der Dr. Neumann seine Praxis?“, fragte Meik. „Er hat keine Praxis im herkömmlichen Sinne. Er hat bei sich
zuhause zwei Räume, die das Behandlungszimmer und sein Büro sind. Aber keine
Praxis mit Patienten, wie sonst üblich.“ „Das heißt, er ist dann bei mehreren Altenheimen engagiert?“ „Ja, Altenheime auch und Alten-Residenzen, wie wir hier.“ „Interessant“, sagte Meik. Donnerstag,
10.50 Uhr Lüppi und Petra hatten die offene Kellertür bei ihrer ersten
Begehung im Erdgeschoss schon gesehen. Wieder ging Lüppi mit der Dienstwaffe in
der Hand vor, nachdem er das Licht eingeschaltet hatte. Die Kellertreppe war
aus nacktem Beton, also unverkleidet. Genauso sahen die Wände aus, unverputzte
Mauersteine waren hier zu sehen. Unten angekommen befand sich eine Art Dielenraum.
Von dort gingen drei Türen ab. Alle drei Türen standen auf. Ein Blick in den
rechten Raum ergab, hier war eine Gas-Heizung installiert. Lüppi schaute in den
nächsten Raum. Hier standen „Hier steht Minka“, sagte Petra erschüttert. „Hier auch, aber der Platz ist noch leer“, sagte
Lüppi. „So heißen doch die Katzen vom Ehepaar Heigen.“ „Ja, stimmt und Bernd Müller hat gesagt, Herr Heigen
hat dem Vetter gedroht, wenn noch einmal einem Tier etwas passiert…“, gab Lüppi
wieder und unterbrach sich selbst. „Dann würde er ihn umbringen“, vollendete Petra den
Satz. „Ich gehe Handschuhe und Schuhüberzieher aus dem
Auto holen?“, fragte Petra. „Kann ich dich hier allein lassen?“, fragte sie
nach. Donnerstag,
11.00 Uhr Meik und Gördi waren zurück von der Heimleitung. Moris und
sein Kollege waren mit der Spurensicherung so gut wie fertig. Alles war fotografiert
worden, auch der Inhalt des Kleiderschrankes und der Kommode, in der Nähe des
Sessels. „Und habt ihr was gefunden?“, erkundigte sich Gördi. „Nichts Außergewöhnliches. Das Übliche halt“, antwortete Moris. „Irgendwelche Anzeichen auf äußere Einwirkung in Form von Einstichstellen
haben wir bei Herrn Pfeifer auch nicht finden können“, informierte Heike. „Einen schönen guten Morgen. Bestattungsunternehmen
Behrendts. Wir sollen hier
jemanden abholen und in die Rechtsmedizin bringen“,
sagte einer von zwei dunkel gekleideten Männern. „Das können Sie auch sofort“, sagte Moris und gab den Fundort
und den Leichnam frei. „Wir haben einen Anruf von Kommissarin Wilkerling erhalten.
Die zwei Kollegen der KTU sollen als nächstes nach Mülheim Saarn, zum Haus von
Herrn Vetter kommen. Und die drei Kollegen der KK11 gleich auch“, teilte die Zentrale
mit. Donnerstag,
11.15 Uhr Petra kam nach zwei Telefonaten aus dem Wohnzimmer und ging erneut
zurück in den Keller des Grauens. Handschuhe und Schuhüberzieher hatte sie bereits
an. An der Tür des hinteren Kellers blieb sie stehen. Lüppi schaute sich den
nackten Leichnam von Paul Vetter an, der auf einem alten Holztisch festgebunden
war. Links neben dem Tisch auf dem Boden lag von zwei Kugeln getroffen der Hund
des Opfers. Überall war Blut. „Kannst du mir mal bitte verraten, wie du es schaffst dir so
etwas auch genauer anzusehen? Mir reicht der erste Blick schon“, fragte Petra
ihn. „Du meinst die Leiche?“, fragte er nach, obwohl das nun offensichtlich
war. „Ja, ich verstehe nicht wie du dabei so ruhig bleiben
kannst.“ „Das ist eigentlich ganz einfach. Mein damaliger Vorgesetzter
bei uns in der KK11 war Jahre lang Paul Quandt. Von ihm habe ich einen Tipp
bekommen, an den ich mich seitdem halte.“ „Und das wäre was?“ „Das klingt jetzt arg komisch, hat es auch seiner Zeit. Es
funktioniert aber“, sagte Lüppi und erklärte weiter. „Ich habe dich lieb, Petra.“ „Ich dich auch, Papa.“ „Schau einmal hier zum Beispiel“, sagte Lüppi und zeigte auf
die Brandstellen, die das Opfer an Armen und Beinen hatte. „Hier kann man sich vorstellen, dass ein Maskenbildner
dem Schauspieler, der jetzt hier vor uns liegt, die Brandstellen aufgeschminkt
hat. Wenn ich mir dann diese Stellen genauer ansehe, denke ich, der Maskenbildner
hat ganze Arbeit geleistet.“ „Der Maskenbildner heißt beim Film Make-up Artist“, korrigierte sie ihn und
fragte ihn. „Weil er ein absoluter Profi ist und sich
von seiner Rolle nicht ablenken lässt, hat Paul mir auch gesagt.“ „Paul hätte mich seiner Zeit gefragt, was
genau hat der Make-up Artist hier auf das Bein des Schauspielers geschminkt?“ „Er hat ihm Brandwunden in Form von einem
Judenstern auf das Bein geschminkt“, sagte sie und glaubte selbst kaum, was sie
da gerade sagte. „Mach weiter“, bat er. „Es sieht so aus, als wenn er durch Make-up
dem Schauspieler seinen Penis verunstaltet hätte und zwar soll der Zuschauer
hier annehmen, dem Opfer wurde mit dem dort liegenden Hammer sein
Geschlechtsteil plattgeschlagen.“ „Das Blut ist danach auch nur eine Filmrequisite,
darf ich annehmen und gar nicht echt?“ „Aber klar doch.“ „Das klinkt aber schon etwas krank, wenn man
sich so Mordopfer ansieht.“ „Ist nur eine Möglichkeit, da kann jeder
anders mit umgehen“, sagte Lüppi. „Wie Gördi zum Beispiel, der fast immer umkippt.“ – Wäre das ein echtes Mordopfer, hätte er
unglaubliche Schmerzen ertragen müssen. Es ist nur eine Filmscene. Es ist nur
eine Filmscene. – „Oh, Scheiße!“, sagte Lüppi, als er sie sah. „Was ist?“, fragte Petra ihn und sah zu ihm. „Hier hat der Make-up Artist aber ganze
Arbeit geleistet.“ „Weißt du, was das für eine Flüssigkeit ist?“, fragte sie ihn
und zeigte auf eines der Glässer. „Das wird Formaldehyd sein. Das wird
zur Konservierung benutzt.“ „Gördi und Heike hast du nie von der Taktik mit der
Filmscene erzählt?“ „Nein, bis jetzt habe ich darüber mit niemanden gesprochen.
Du bist die Erste.“ Um 11.45 Uhr kam Horst Vollmer, der Leiter der Kriminaltechnische Untersuchungsstelle, und ein Streifenwagen
am Haus an. Er war mehr als verwundert als er sah, dass Petra sich in diesem
Kellerraum aufhielt und wie Lüppi augenscheinlich keine Probleme mit dem
Anblick zu haben schien. Während Horst mit der Spurensicherung anfing, machte
Petra mit der Kamera von ihm schon einmal Fotos, von allen ausgestopften Tieren.
In den karierten Block schrieb sie die Namen der Tiere. Von
den 26 Tieren waren es 16 Hunde, 6 Katzen und 4 Kaninchen. Heike, Gördi und
Meik mit Moris und dessen Kollegen trafen um 12 Uhr ein. Gördi reichte der Anblick
der Leiche vom Raum davor schon aus. Den Raum mit Schuhüberziehern betrat nur Heike
freiwillig. Meik blieb am Türrahmen stehen und wollte auch nicht weitergehen.
Nachdem alle fünf Kommissare sich noch einmal gründlich im Haus umgesehen hatten,
wollte Lüppi noch mit dem Ehepaar Heigen sprechen. Er traf sie aber nicht an. Sie
schienen nicht da zu sein. „Was machen wir jetzt?“, fragte Petra nach. „Ich rufe jetzt als erstes einmal Philipp Sieger an, mal schauen
was er zu Herrn Vetter sagen kann und vielleicht fahren wir gleich noch zum LKA
nach Düsseldorf.“ „Wir
sollten uns mit Benjamin Bode unterhalten. Er ist
ja bereit auszupacken und kann uns erklären, was der Herr Vetter mit denen zu
schaffen hatte“, machte Philipp den Vorschlag. „Gut, da Benjamin Bode noch in der JVA Essen ist, lasse ich ihn zu uns in
den Vernehmungsraum bringen“, sagte Lüppi und telefonierte anschließend mit
der JVA und dem Dienststellenleiter, Herrn Lackmann, wegen Herrn Bode. Um 13.45
Uhr fuhren die fünf wieder. Horst mit seinen Kollegen und die zwei Streifenpolizisten
blieben vor Ort. Das Bestattungsunternehmen, welches den Leichnam in die Rechtsmedizin
bringen sollte, kam den beiden entgegen als sie in Richtung Präsidium
losfuhren. Donnerstag,
13.00 Uhr Bernardo
Carbone und Michele Alessandro Mascali befanden sich mit ihrem Mitarbeiter und
Reisegefährten Giacomo
im Innenhof des Hotels. Giacomo hatte Neuigkeiten von den Brüdern, die auch als
die Mancini-Brüder bekannt waren. „Du hast mit den Brüdern gesprochen?“, erkundigte sich
Bernardo. „Die beiden haben im Ruhrgebiet nachgehört, ob irgendetwas
an dem Alfa Romeo
Spider aufgefallen ist. Die Antwort von unserer Kontaktperson war, nein, es hat
keinerlei „Ist
das nicht ein bisschen zu gefährlich?“, fragte Bernardo nach. „Nein,
warum? Die beiden meinten, das Schlimmste, was passieren kann ist, dass man
glaubt, es würde sich um eine schlechte Reparatur handeln, also so, als wenn dort
gefuscht worden wäre, denn außer Kinderknete ist dort nichts zu finden“, gab
Giacomo wieder. „Wann
melden die zwei sich wieder?“, fragte Michele nach. „Morgen
Vormittag im Café an der Straße gegenüber vom Hotel so gegen 11 Uhr.“ „Wie
kommen wir heute Abend zur ‚Mailänder Scala‘?“, fragte Bernardo. „Ich würde sagen mit dem Taxi. Die Vorstellung beginnt um 19
Uhr, wir sollten dann also um 18.30 Uhr hier los“, antwortete Giacomo. „Das Taxi ist zu auffällig, zudem sind das nur ein paar
Minuten zu Fuß von hier, wir werden laufen“, sagte Michele. „Was sagst du?“, wollte Giacomo von Bernardo wissen. „Du hast es gehört, wir laufen.“ Donnerstag,
14.35 Uhr Alle waren im Büro eingetroffen und Lüppi wollte hören, was die
drei in Werden vorgefunden hatten. Er erfuhr von Dr. Werner Neumann, dem Facharzt für Geriatrie und dass sie nicht wüssten, warum
dem Arzt der Tote so bedenklich vorgekommen war. Alle drei gingen bei Herrn
Pfeifer von einem normalen Tod aus. „In Ordnung“, sagte Lüppi mal wieder. „Ich fang mal an eine Akte für Paul Vetter anzulegen und
schreibe den ersten Bericht“, sagte Petra. „Ich bin jetzt in der KK21 und anschließend in der KK31.“ Donnerstag,
15.20 Uhr Philipp und Lüppi betraten den Vernehmungsraum. Benjamin Bode lächelte
sie an und Lüppi schaltete das Mikrofon ein. Wie immer sprach er die
Einleitung. „Es ist heute Donnerstag, der 5. Oktober 1995. Wir haben jetzt 15.21
Uhr. Zur Befragung ist Benjamin Bode aus der JVA vorgeführt worden. Die
Befragung wird von dem LKA-Mitarbeiter Philipp Sieger, sowie von mir, Kriminalhauptkommissar
Martin Lüpke, durchgeführt.“ „Herr Bode“, sprach Philipp ihn an. „Was können Sie uns zu
Paul Vetter erzählen?“ „Einiges. Aber vorher habe ich auch eine Frage. Was ist mit
meinem Zeugenschutzprogramm in Holland?“ „Das läuft und wie ich Ihnen schon schriftlich zugesagt habe,
kommen Sie ins Zeugenschutzprogramm. Da können Sie sich auf mich verlassen“,
bestätigte Philipp. „Okay, was möchten Sie wissen?“, fragte Herr Bode nach. „Woher kennen Sie ihn?“, fragte Philipp. „Über die Organisation
‚Neues Reich‘. Das erste
Mal bin ich vor ein paar Wochen bei ihm gewesen, um die Schlüssel für die neue
Halle abzuholen“, antwortete Herr Bode. „Die
Halle ist in Duisburg?“ „Ja,
genau, im Hafen. Sie ist nicht ganz so groß wie die anderen dort.“ „Was
befindet sich dort?“ „Die
ersten neuen Waffen. Das alte Waffenlager war auf einem Campingplatz, das ist aber
entdeckt worden. Jetzt muss die Organisation
hier in NRW wieder ganz von vorne anfangen.“ (Kommissar
Lüppi - Band 6) „Was sind das für
Waffen?“, wollte Philipp wissen. „Soviel ich weiß, Pistolen
und ein paar Gewehre.“ „Was ist sonst noch
in der Halle?“ „30 Kisten von einer
Medizin, womit man viele Menschen umbringen kann. Das ist für den großen Tag
des Umsturzes vorgesehen. Damit sollen dann die Politiker und hochrangige
Beamte beseitigt werden.“ „Steht der Tag des
Umsturzes schon fest?“ „Nicht, dass ich
wüsste. Neben unserer Ortsgruppe sind auch noch drei andere Zellen mit deren
Ortsgruppen nicht so weit.“ „Noch mal zurück zu Paul
Vetter. Gibt es in letzter Zeit Probleme mit ihm?“, erkundigte sich Philipp und
wollte ihm nicht mitteilen, dass der Herr Vetter unmenschlich gefoltert und hingerichtet
worden war. „Ja, ich habe
gehört, er kann die restlichen Kisten von der Medizin für den großen Tag nicht
liefern. Das hat für viel Ärger bei Walter und Hubert geführt. Deshalb war ich
erst letzte Woche noch wieder bei ihm, um im klarzumachen, dass sich die Organisation auf ihn verlässt.“ „Da war Kerstin Maiwald
mit dabei?“ „Ja, genau.“ „Wie
viele Kisten sollten es denn insgesamt werden?“ „300
Kisten und bis jetzt hat er gerade mal nur 30 geliefert.“ „Was
können Sie sich vorstellen, was die Organisation mit Herrn Vetter macht, wenn er gar nicht mehr liefert?“ „Direkt beseitigen,
bevor er anfängt zu reden. Hubert sagt immer, Denkzettel nutzen nur bedingt etwas
und wenn viel von etwas Bestimmtem abhängt, ist Beseitigen die beste Möglichkeit
ein Problem loszuwerden.“ „Gibt es für
Denkzettel eine festgelegte Vorgehensweise?“ „Brandmarken ist
eine erste Möglichkeit, damit wird der Betroffene Lebenslang daran erinnert, er
hat was falsch gemacht.“ „Brandmarken?“, fragte
Lüppi und sagte seit der Einleitung das erste Mal etwas. „Ja, Brandmarken,
das müssen die wohl früher auch schon gemacht haben. Hubert findet das ganz
toll.“ „Was sind das für Brandmarken?“,
fragte Lüppi. „Gesehen habe ich die
noch nicht. Das sollen so Brandeisen sein wie sie in Western zu sehen sind, wo Rinder
auch gebrandmarkt werden.“ „Wenn jemand
beseitigt wird, was wird dann getan?“ „Ich glaube, er wird
erschossen“, sagte Herr Bode. „Was ist mit Finger
zertrümmern oder mit vielen Schnitten die Haut zerschneiden, damit derjenige verblutet?“ „Habe ich noch nie von
gehört… kann es aber auch geben, das weiß ich nicht“, sagte Herr Bode und für
Lüppi waren die ihm wichtigen Fragen damit gestellt. Donnerstag,
16.35 Uhr Philipp und Lüppi kamen zurück ins Büro und Lüppi bat Meik das
Befragungsprotokoll zu schreiben. Er schien damit kein Problem zu haben. „Was sagst du zu den Aussagen von Herrn Bode?“, wollte Lüppi
von Philipp wissen. „Was den Tod von dem Vetter angeht, kann man wohl davon ausgehen,
dass es die Gruppe ‚Neues Reich‘ gewesen sein
wird“, war Philipp der Meinung. „Findest du diese Art von Folterung nicht ein bisschen zu
viel für eine solche Organisation?“ „Im kriminellen Milieu
sind solche drastischen Strafen nicht unüblich. Sie dienen dazu, um anderen zu zeigen,
sich zusammenzureißen und das zu tun, was verlangt wird.“ „Dann belassen wir
es damit erst einmal und warten mal ab, was Frau Doktor und die KTU noch für
Info´s für uns haben“, beschloss Lüppi. „Ich fahre dann mal
wieder“, und schaute zu Meik. „Wenn ich auf die Uhr sehe, bin ich morgen Vormittag damit
fertig“, antwortete Meik. „Kann der Kollege mir das Protokoll dann nach Düsseldorf bringen?“,
wollte Philipp von Lüppi wissen. „Ja, geht“, antwortete er knapp. „Was ist?“ Donnerstag,
17.40 Uhr Lüppi und Torti tranken
auch an diesem Nachmittag zusammen Kaffee und unterhielten sich. Dass er von
Paul Vetter, dessen Folterung und Hinrichtung berichtete war genauso klar, wie
die Tatsache, dass 26 Haustiere ausgestopft vorgefunden worden waren. Torti
fand es absolut ekelhaft und verstand nicht, wie alle anderen auch, warum ein
Mensch so etwas tat. Auf die Frage von Lüppi, was sie glauben würde, wer es gewesen
sei, antwortete sie. „Es ist beides möglich.
Interessant wäre die Antwort auf die Frage, ist Minka Nr. 3 wieder bei Ehepaar
Heigen eingetroffen oder noch nicht. Sie wurde doch seit einigen Tagen
vermisst.“ „Das werden wir
überprüfen“, versprach Lüppi.
2
6. Oktober
1995, Freitag, 8.00 Uhr Alle fünf aus Frohnhausen
waren im Büro. Die einzelne Kollegin aus Holsterhausen am dritten Tag in Folge noch
nicht. Nachdem Gördi mal wieder Kaffee gekocht hatte, setzten sich alle
zusammen und berichteten, was sie am Vortag herausgefunden hatten. „Wer möchte anfangen?“,
fragte Lüppi nach. „Dann mache ich das“,
antwortete Gördi. „Sehr lukrativ“, fand Meik. „25.000 DM finde ich jetzt aber auch zu viel. Das klingt für
mich ja schon so als wenn dort Geld gewaschen würde, so wie es das organisierte
Verbrechen macht“, fand Lüppi. „Dann mache ich weiter“, sagte Heike. „Ich habe mich ja nur
um die Immobilien von ihm gekümmert. Das Einfamilienhaus in Mülheim, wo er gefunden
worden ist, gehörte ihm, war jetzt schon irgendwie klar. Dann gibt es die Halle
in Duisburg und in Bayern einen Bauernhof. Laut dem Bürgermeisterbüro von dem nahegelegenen
kleinen Ort, ist der Bauernhof häufig unbewohnt. Das hat sich wohl in letzter
Zeit geändert, da kommen immer wieder einige Leute und bleiben dann zwei Wochen.
Das war es von meiner Seite, mehr habe ich nicht.“ „Dann müssten die doch bestimmt Kurtaxe zahlen, oder?“,
fragte Lüppi. „Mmh… kann sein, weiß ich nicht, ich höre nach“, versprach
sie. „Meik“, sprach Lüppi ihn an. „Ich habe eine Liste von allen Hundebesitzern aus der Gegend
erstellt. Es sind 36 Stück, die ich auf einer Kopie eines Stadtplanes markiert
habe. Vorschlag, ich fahre nach Saarn und klappere die Hundebesitzer ab“, sagte
Meik. „Eine gute Idee. Dann kannst du direkt einmal zum Ehepaar Heigen
gehen und dich nach ihrer Katze Minka Nr. 3 erkundigen. Frag bitte, ob sie
wieder heimgekehrt oder noch immer nicht da ist. Das war eine Idee von Torti“,
sagte Lüppi. „Okay, dann achte ich mal darauf wie sie so auf meine Frage
reagieren“, sagte Meik. „Was ist mit dem Protokoll von der Befragung von gestern?“ „Da bin in wenigen Minuten mit fertig.“ „In Ordnung“, kam mal wieder von ihm und er schaute zu
Petra. „Ich habe die Akte für Paul Vetter angelegt“, sagte sie. „Gut, dann bitte folgendes“, sagte Lüppi und schaute zu
Meik. „Wenn du mit dem Protokoll fertig bist, lässt du dir ein Auto von der
Fahrbereitschaft geben, bringst das Protokoll als erstes zum LKA nach
Düsseldorf. Viel Spaß beim zurecht finden dort und anschließend besuchst du als
erstes das Ehepaar Heigen und klapperst danach die Hundebesitzer ab.“ „Okay“, sagte Meik und das Telefon von Petra schellte. „Kriminalkommissariat 11, Kommissarin Petra Wilkerling,
guten Tag.“ „Ich bin es“, sagte der wachhabende Streifenbeamte aus der Wache
von unten. „Das Altenheim in Haarzopf hat angerufen, sie haben eine tote Mitbewohnerin,
eine gewisse „In Ordnung, wir kommen. Wo genau ist das in Haarzopf?“, fragte
sie nach und der Streifenkollege gab ihr die Anschrift. „Wer ist es jetzt?“, erkundigte sich Lüppi, als sie ihren
Hörer aufgelegt hatte. „Irmgard Albrecht in einem Altenheim in Haarzopf“,
antwortete sie und fragte. „Wer fährt?“ „Heike und Gördi, übernehmt ihr das bitte. Petra und ich
bleiben hier denn um 10 Uhr kommt der Kollege Kintrup aus Bochum“, sagte Lüppi. „Klar, machen wir zwei“, sagte Heike und nur wenige
Augenblick später gingen sie. „Gib mir mal bitte die oberste.“ „Was hältst du davon, wenn ich mir die Akten vorab schonmal ansehe,
dann geht es schneller?“, machte sie den Vorschlag. „Wenn du das machen würdest, das wäre Klasse“, freute er sich. „Ja, sie ist hier und macht die Aufstellung für unseren Kriminaldirektor.
Möchtest du sie sprechen?“, erkundigte sich der Kollege Meinhard. „Nein, nicht nötig. Ich habe da aber eine Frage. Wann ist
sie heute Morgen gekommen?“ „Das kann ich dir ganz genau sagen. Es war um 8.15 Uhr, da
haben sie im Radio die Uhrzeit gesagt und die Verkehrsmeldung gebracht, als sie
hereinkam. Warum fragst du?“ „Weil sie bis jetzt noch nicht hier oben bei uns war. Wenn sie
aber erst um 8.15 Uhr gekommen ist, dann weiß ich jetzt warum sie direkt zu dir
gegangen ist“, sagte Lüppi. „Das ist ja interessant, dann habe ich da jetzt auch mal
eine Frage an dich. Sollte sie gestern, nach der Mittagspause, für eine Stunde
oben bei euch helfen?“ „Nach der Mittagspause? Ich mache nie Mittagspause…, wann
ist denn überhaupt Mittagspause… äh…, du meinst jetzt bitte welche Uhrzeit?“ „Von 12.30 Uhr bis um 13.30 Uhr.“ „Äh… da waren wir alle gar nicht hier im Präsidium. Wir sind
erst gegen… warte mal bitte“, sagte Lüppi und fragte Petra, wann sie am Vortag
wieder im Büro waren. Petra wusste es und Lüppi antwortete dem Kollegen. „Wir waren erst gegen halb drei wieder hier. Also uns sollte
sie bestimmt nicht helfen.“ „Ja, wo war sie denn dann? Unser Herr Bäumler hat mich nämlich
gebeten, darauf zu achten, dass sie die Auflistung macht und nicht herumtrödelt“,
informierte ihn der Kollege Meinhard aus der Registratur. Freitag, 9.20 Uhr Heike und Gördi waren
am Altenheim eingetroffen. Ein Streifenwagen stand auf dem Parkplatz vor dem
Heim. Gördi hatte daneben den Wagen abgestellt. Von einer Mitarbeiterin des
Heims wurden sie im Erdgeschoss zum Zimmer der Verstorbenen gebracht. Als sie es
betraten, stellten sie fest, es handelte sich dabei um ein Zwei-Bett-Zimmer. Die
zwei Streifenkollegen waren mit der Pflegerin, die angerufen hatte, im Zimmer und
standen vor dem Bett der Verstorbenen. Frau Albrechts Leichnam lag angezogen
auf ihrem Bett. Beide grüßten als sie eintraten. „Hallo, ihr zwei, das
ist Schwester Anja“, sagte einer der beiden Streifenpolizisten. „Sie haben sie
gefunden.“ „Nicht direkt. Das
war unsere Frau Berdel“, antwortete Schwester Anja und nickte in Richtung der
Mitbewohnerin. „Guten Morgen, ich bin
Kriminaloberkommissarin Heike Buhrmann. Können Sie uns sagen, was
passiert ist?“ „Darf ich fragen,
wie Sie heißen?“ „Gerda Berdel.“ „Wohnen Sie schon lange
mit Frau Albrecht zusammen?“ „Ja, seit fünf Jahren und drei Monaten.“ „So genau wissen Sie das?“ „Ja, man hat hier sehr viel Zeit und nichts zu tun. Die ollen
Zeitschriften kann man auch nicht mehr als drei - vier Mal lesen. Manche Artikel
kenne ich schon auswendig.“ „Das heißt, Ihnen ist oft langweilig hier?“, fragte Heike
nach. „Ja, leider und sich mit Irmgard zu unterhalten ist das Einzige
was wir zwei haben. Ach… jetzt muss ich ja sagen… hatten.“ „Darf ich Sie fragen wie alt Sie sind?“ „Ja, dürfen Sie. Ich bin 94 Jahre alt. Irmgard und ich haben
immer gesagt, da sie ja erst 86 Jahre alt ist, würde ich zuerst gehen und sie
würde hier zurückbleiben, jetzt ist sie weg und ich bin noch hier“, sagte Frau
Berdel und schien traurig zu sein. „Was ist Ihnen denn heute Morgen aufgefallen?“, erkundigte
sich Heike. „Aufgefallen ist es uns schon gestern. Wir zwei waren beim
dritten Tagesheileid. Als wir wiederkamen standen die kleinen niedlichen Mineralwasser
Fläschchen hier bei uns an den Betten. Solche kleinen hatten wir hier noch nie.
Irmgard meinte noch zu mir, ob die jetzt auch noch am Wasser sparen wollen“,
sagte sie, machte eine kurze Pause und meinte. „Ich
habe da auch eine Frage, was ist denn das dritte Tagesheileid?“, erkundigte
sich Gördi. „Na, das Abendessen. Früher hatten wir vier Tagesheileids,
aber den Kaffee mit Kuchen haben sie uns hier gestrichen. „Das heißt jetzt also, diese kleinen Wasserflaschen haben
Sie zum ersten Mal bekommen?“, fragte Heike nach. „Ja, ganz genau. Was komisch ist, dass die schon an unseren
Betten standen, sonst muss man Anja und die anderen Schwestern drei Mal bitten bis
wir wieder eine Flasche bekommen und aufgedreht sind die dann noch nicht.“ „Frau Albrecht hat also schon aus ihrer Flasche getrunken?“,
fragte Heike, obwohl man das ja sehen konnte. „Ja, vorhin, da die Große leer war“, antwortete Frau Berdel. „Sie hat also aus der kleinen Flasche getrunken und was ist
dann passiert?“, fragte Heike und ahnte es bereits. „Sie hat einen ersten Schluck genommen und meinte kurze Zeit
später zu mir, ihr würde ein klein wenig schwindelig. Da habe ich noch zu ihr gesagt,
sie hat vielleicht zu wenig getrunken. Das kann sein, meinte sie und hat die
halbe Flasche leergemacht. Ich war danach zur Toilette und als ich wieder rauskam,
hatte sie sich hingelegt.“ „Haben Sie Schwester Anja verständigt?“ „Ja, nachdem ich Irmgard angesprochen habe und sie nicht
reagiert hat. Ich habe an ihr auch noch gewackelt und sie angesprochen, sie ist
aber nicht mehr wachgeworden. Um zu sehen ob sie einfach so gestorben ist, habe
ich ihr die Nase zugehalten, aber ihr Mund blieb zu und da wusste ich, sie ist
tot.“ „Was haben Sie zu Schwester Anja gesagt oder was sie zu Ihnen?“,
wollte Heike wissen. „Ich habe ihr gesagt, dass Irmgard tot sei und dass sie kurz
zuvor das Wasser dort getrunken hat“, sagte Frau Berdel und zeigte mit dem
Finger auf die Flasche bei Irmgard am Bett. „Und dann, was hat Schwester Anja dann gemacht?“ „Erst einmal nichts, bis ich sie gefragt habe, wo denn die
kleinen Flaschen herkommen würden. Da wurde die gute Anja doch etwas unruhig.
Sie ist daraufhin gegangen und hat den Hausarzt von Irmgard angerufen. Der will
wohl kommen und nach ihr sehen.“ „Der Hausarzt schafft es nicht vor 13 Uhr hier zu sein. Ich habe
bei Stefanie angerufen und nachgefragt, ob sie kommen kann. Sie macht sich auf
den Weg.“ „Der Hausarzt ist also nicht Dr. Neumann“, machte Heike die Feststellung. „Richtig, der Hausarzt heißt Dr.
Meinscheid.“ Freitag, 9.55 Uhr Lüppi schaute die von
Petra zuvor durchgesehenen und abgeschlossenen Akten noch einmal oberflächlich durch
und zeichnete sie im Anschluss ab. Während also beide damit beschäftigt waren
klopfte es an der offenstehenden Bürotür. Ein sehr korpulenter und großgewachsener Mann mit rotem Kunststoff-Brillengestell
stand dort. Beide schauten hin
und sahen, Kollege Kintrup aus Bochum war da. „Komm rein“, sagte
Lüppi zu ihm. „Tach, da bin
ich.“ „Schön, ich sehe
du hast zwei Fallakten von euch mit dabei?“ „Ja, Frau Dr.
Schneider hat mir gestern Nachmittag von eurem Toten im Altenheim berichtet und
da dachte ich, ich könne dir ja mal unsere beiden mitbringen.“ „Was sind das für
Fälle?“, fragte Lüppi nach. „Bevor wir damit
anfangen, erzähle du mir mal lieber ausführlich wieso du den Denglert vom BKA
kennst.“ „Also wie schon
am Montag in der Rechtsmedizin gesagt, wir sind alte Schulkameraden, seit der Grundschule.“ „Wir sollten uns
jetzt mal auf die Fälle konzentrieren. Sag einmal, was hast du denn jetzt da?“ „Die zwei, die du
schon bei Frau Doktor am Montag in der Rechtsmedizin gesehen hast. Also, in der
richtigen Reihenfolge, Berthold Mülling, 75 Jahre, aus Bochum Linden, tot
aufgefunden am Montag den 25.09. und dann Helga Koch, 78 Jahre, aus Wattenscheid,
aufgefunden am Mittwoch den 27.09.“, sagte Mathis. „Und du hast gesagt, alle beide sind Pento-Fälle, wie du sie
genannt hast und beide sind in Altenheimen verstorben?“, erkundigte sich Lüppi. „Ganz genau. Bei Herrn Mülling kam die Mitarbeiterin gerade zu
ihm ins Zimmer als er aus einer kleinen Wasserflasche trank. Sie wollte ihm
seine Pillen für den nächsten Tag fertigmachen, dabei ist er zusammengesackt und
das war es. Das Kuriose dabei ist, diese kleinen
Wasserflaschen haben die gar nicht im Altenheim.“ „Wie alt war der Herr Mülling?“ „75 Jahre und hatte Demenz im mittleren Stadium.“ „Petra“, sprach Lüppi sie an. „Schreibst du bitte mal mit.“ „Mache ich bereits“, kam die Antwort. „Danke schön, du bist die Beste“, lobte er sie. „Bei Frau Koch war es der Arzt, der zu der Pflegerin sagte,
mit Frau Koch wäre etwas“, teilte Mathis mit. „Einen Augenblick mal bitte“, sagte Petra. „Ja, warum?“, fragte er nach. „Entschuldige mal bitte, wenn ich das sagen würde, wäre es
ja nachvollziehbar, aber ein Arzt sagt, mit Frau Koch ist etwas?“ „Er war auf dem Weg und wollte einen Notarzt rufen, hat er ausgesagt.“ „Was er dann auch getan hat, darf ich annehmen?“, fragte
Lüppi nach. „Ja, genau, als die eintrafen, war Helga Koch bereits
verstorben.“ „Beide sind an Pentobarbital gestorben?“, fragte Petra. „Ja, laut Frau Doktor. Was ist mit eurem Fall, wisst ihr da
schon was?“ „Nein, wir warten noch“, war Lüppi´s Aussage, schaute zu
Petra, nahm den Hörer und rief in der Rechtsmedizin an. Dort meldete sich ein
Mitarbeiter von Frau Doktor. „Kann ich mal bitte Stefanie sprechen?“, fragte Lüppi. „Nein, im Augenblick nicht, sie ist nicht da. Ihr Kollege,
der Herr Schwarz, hat sie nach Haarzopf gerufen. Wann sie wieder hier ist kann
ich nicht sagen“, war die Information des Mitarbeiters. „Stefanie ist in Haarzopf bei Gerhard und Heike? Oh… na, dann“,
sagte er und bedankte sich. Freitag, 10.45 Uhr Einer der beiden Streifenkollegen
kam zu Heike und Gördi und hielt den beiden sein Funkgerät mit den Worten hin. „Hier für euch.“ „Hallo Heike, ich
bin es, Petra. Lüppi wollte gerade mit Stefanie sprechen, da wurde ihm gesagt,
sie wäre bei euch.“ „Ja, sie ist vor 10
Minuten bei uns eingetroffen. Moris mit einem Kollegen ist auch hier“, sagte
Heike. „Was ist denn
passiert?“ „Irmgard Albrecht ist möglicherweise mit einer Flasche
Wasser vergiftet und getötet worden. Der Hausarzt kann nicht vor 13 Uhr kommen
und da haben wir Stefanie gebeten. Warum?“ „Du sagst mir jetzt aber nicht, sie ist mit einer kleinen
Wasserflasche vergiftet worden, nicht wahr?“ „Doch eine kleine Wasserflasche, die es hier eigentlich gar
nicht gibt“, antwortete Heike. „Mathis, wie hieß denn das Wasser bei dem Herr Mülling?“ „Einen Augenblick, bitte“, sagte Mathis. „Ich habe es mir aufgeschrieben…
das kannte ich gar nicht… das war… ‚Ruhrquell Mineralwasser‘.“ „Heike, hörst du?“ „Ja, ich höre.“ „Wie heißt das Wasser bei euch?“, fragte Petra und Heike gab
die Frage an Moris weiter, der schon beide Wasserfläschchen eingepackt hatte.
Er antwortete Heike, was Petra aber nicht verstand. „Das ist ‚Ruhrquell Mineralwasser‘“, teilte Heike mit. „Mathis hat in Bochum auch einen Fall, wo das Wasser von ‚Ruhrquell Mineralwasser‘ vergiftet war“, informierte Petra.
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